Theater Auf ein Tässchen Kaffee ins Astoria

Trier · Manfred Langner hat der Stadt Trier eine Uraufführung auf den Leib geschrieben. „Ein Tanz auf dem Vulkan“ spielt in den 1920er Jahren.

 Die Darsteller Luiza Braz Batista und Norman Stehr werben auf dem Plakat für die Revue „Ein Tanz auf dem Vulkan“, die am 7. Dezember im Großen Haus Premiere feiert.   

Die Darsteller Luiza Braz Batista und Norman Stehr werben auf dem Plakat für die Revue „Ein Tanz auf dem Vulkan“, die am 7. Dezember im Großen Haus Premiere feiert.  

Foto: Theater Trier/martinkaufhold.de

„Tanz auf dem Vulkan“ ist ein ziemlich vergessener Ufa-Film aus dem Jahr 1938. Er erzählt eine historische Begebenheit mit deutlichen Verweisen auf die damals recht ungemütliche Gegenwart: Der Schauspieler Jean-Gaspard Debureau (1796-1846) füllt allabendlich das Pariser „Théâtre des Funambules“, das Theater der Seiltänzer, mit seinen beißenden Spottliedern auf König Karl X, den beim Volk äußerst unbeliebten Herrscher. Den Film nickten die Nazis ab, weil er von Hans Steinhoff, einem glühenden Nazi-Anhänger, inszeniert wurde. Und weil ein Schauspieler die Hauptrolle spielte, der auf der „Gottbegnadeten“-Liste der braunen Berserker stand, also unantastbar war: Gustaf Gründgens. Und der nutzte seine Popularität dann auch, um einige Spitzen gegen das Regime in die Handlung einzuflechten.

Was Steinhoff bewegte, diesen riskanten Stoff zu verfilmen, ist ebenso unerforschlich wie die Rolle Gründgens im „Dritten Reich“ ambivalent. Von dem Film hat lediglich der Titel als geflügeltes Wort überlebt. Und, zumindest ein bisschen, Theo Mackebens Schlager „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“. „Berauscht euch, Freunde, trinkt und liebt und lacht“, singt Gründgens in einer Zeile – mit anderen Worten: voll zugedröhnt mitten hinein in die Katastrophe.

Intendant Manfred Langner hat den „Tanz auf dem Vulkan“ nun auf Trierer Verhältnisse umgedeutet und schenkt damit der Stadt eine ganz persönliche Uraufführung. Komplett neu sei das Konzept nicht, gesteht er im Gespräch. Das Stück hat er bereits in seiner Stuttgarter Zeit inszeniert. Zuerst habe er geglaubt, es eins zu eins übernehmen zu können. Aber dann feststellen müssen: „Trier ist ganz anders. Da reichte es nicht, ein paar Sachen auszutauschen. Ich musste es neu schreiben.“

Und was war so anders in Trier als in Rest-Deutschland? Manfred Langner: „Die Stadt war bis 1930 von den Franzosen besetzt. Dadurch sind die Uhren hier völlig anders gegangen. Unter den Franzosen war es ein ganz anderes Leben als auf der anderen Seite des Rheins. Die Trierer hatten ihre Schwierigkeiten mit den Besatzern, weil die zum Teil mit Kolonialsoldaten angerückt waren, was rassistische Vorbehalte begünstigte. Das Positive: Echte Nazis tauchten erst nach dem Abzug der Franzosen auf. 1925 hatte es zwar eine Ortsgründung der NSDAP gegeben, aber mit lange Zeit nur neun Mitgliedern war das nicht mehr als eine Sektierergruppe. Doch sobald die Franzosen weg waren und das nationale Pathos wieder hochkochte, wurde das rechtsextreme Gedankengut relativ rasch populär.“

Als Nicht-Trierer musste sich der Intendant natürlich erst einmal in die Lokalgeschichte eingraben. Und ist dabei auf „viele nette und kluge Menschen gestoßen, die mir beigestanden und mir Material zur Verfügung gestellt haben“. Thematisiert werden unter anderem politische Themen wie das Frauenwahlrecht, kulturelle Entwicklungen und Fortschritte – und das Badeleben an der Mosel. „Klingt jetzt ein bisschen wie Schulfunk“, schmunzelt der Regisseur. Aber dagegensetzen werde er den musikalischen Rahmen. Dabei spielt das Stück auf verschiedenen Ebenen, die im vergangenen und im aktuellen Jahrhundert angesiedelt sind. Was es genau damit auf sich hat – darüber hüllt sich der Schöpfer von „Ein Tanz auf dem Vulkan – Trier und die Zwanziger Jahre“, das er zusammen mit Horst Maria Merz konzipiert hat – freilich in beharrliches Schweigen. Weil genau das der Knalleffekt ist, mit dem er die Zuschauer überraschen möchte.

So viel verrät er dann aber doch: Eine zentrale Figur des Abends ist Louis Scheuer, der 1872 in Luxemburg geboren, 1958 in Frankfurt gestorben ist und seine Hauptschaffensjahre in Trier verbracht hat. Er war Handelsschullehrer (in der Fleischstraße residierte seine „Privatschule Scheuer“), aber vor allem Autor und Komponist zahlreicher Revuen und Mitglied der Karnevalsgesellschaft Heuschreck. Und man konnte ihn oft im Café Astoria antreffen, „einem längst vergessenen Trierer ,Hotspot‘, wo es tagsüber Kuchen und abends Jazz gab“, wie Langner erzählt. Manfred Langner: „Ich hätte gerne einige Couplets oder Chansons von Louis Scheuer eingebaut, der ja viele Revuen geschrieben hat. Aber das gesamte Musikmaterial ist im Krieg bei einem Bombenangriff auf Frankfurt, wo er seit 1938 wohnte, verbrannt. Es gibt zwar noch ein paar Texte, aber keine einzige Note. Und was die Texte angeht – über die ist die Zeit ein wenig hinweggegangen. Sie haben uns nicht mehr allzu viel zu sagen.“

Ist „Ein Tanz auf dem Vulkan“ eher etwas für Nostalgiker, oder kann er damit auch ein junges Publikum ansprechen? „Was das Stück erzählen will, nämlich wie nah wir den Entwicklungen in der Weimarer Republik heute wieder sind, das geht uns alle an – junge wie alte.“ Hoppla – jetzt hat er doch etwas mehr verraten von dem, was demnächst zu sehen sein wird.

Premiere ist am Samstag, 7. Dezember, 19.30 Uhr, im Großen Haus des Trierer Theaters.
Karten gibt es online auf www.theater-trier.de, unter der Mailadresse theaterkasse@trier.de sowie unter Telefon 0651/718-1818.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort