An der Schwelle zum Olymp

Bernkastel-Kues · Vorhang auf für den zweiten Weltklasse-Sänger, den das Mosel Musikfestival diese Saison im Kloster Machern präsentiert: Nach der grandiosen Simone Kermes gastiert am Freitag mit Valer Sabadus einer der strahlendsten Sterne am Firmament der Countertenöre.

Bernkastel-Kues. Der Aufstieg der Countertenöre in den vergangenen fünf Jahrzehnten ist beispiellos. Die Herren mit der hohen Stimmlage sind von einem Kuriosum zu einem Erfolgsfaktor der Opernszene geworden. Sänger wie Philippe Jaroussky, Andreas Scholl, Bejun Mehta oder Franco Fagioli haben Kultstatus und ziehen massenhaft Publikum an. Dank ihrer Kunst können die großen Barockopern wieder aufgeführt werden, die einst für Kastraten geschrieben wurden.
Als der Brite Alfred Deller 1950 als erster Mann wagte, mit einer Mezzosopran-Stimme zu singen, galt er als Exot, seine Kunst als geradezu anrüchig. Immer wieder wurde er indirekt gefragt, ob er überhaupt ein richtiger Mann sei. Ob es die dahinter versteckte Mutmaßung auch 2013 noch gibt? "Um Gottes Willen, nein", lacht Valer Sabadus, der gerade dabei ist, in den Counter-Olymp aufzusteigen.
Zweifel wären auch verwunderlich. Sabadus, 27, ist wie seine Kollegen ein gestandenes Mannsbild, man könnte auch sagen: ein Womanizer. Wenn er, wie im Frühjahr in Düsseldorf, den in höchsten Tönen jubilierenden Helden gibt, dann schlägt im Publikum manches Frauenherz höher. Und wahrscheinlich sind es keineswegs nur Frauenherzen.
Anders als ihre Vorgänger-Generationen, zu denen profilierte Sänger wie der Engländer James Bowman und der Deutsche Jochen Kowalski gehörten, sind die neuen Counter längst über den körperlosen Schöngesang hinweg. "Die große Kunst ist, den Körper mitschwingen zu lassen", sagt Sabadus. So entsteht aus der in die Höhe getriebenen Kopfstimme kein Gefistel, sondern ein dynamischer, kraftvoller Gesang. Möglich werde das, so der Deutsche mit rumänischen Wurzeln, "durch eine Mischung aus Veranlagung und Technik". Und die hat sich so entwickelt, dass aus dem Counter wieder neue Stimmfächer entstanden sind - bis hoch zum Sopran.
Faszination wie einst Kastraten


Die außerordentliche Faszination, die Countertenöre analog zu den früheren Kastraten erzeugen, führt Valer Sabadus auf die Differenz zwischen der männlichen Physiognomie und der weiblichen Stimmhöhe zurück: "Das ist nicht das, was man erwartet." Wer Erfolg haben wolle, müsse auf "Gefühle, Ausdruck, Aura" setzen.
Und natürlich auf eine stupende Technik. Die Zeiten, da das Publikum allein durch die Fremdheit zu begeistern war, sind längst vorbei. Von den Herren der Schöpfung wird die gleiche Gewandheit und Virtuosität erwartet wie von der weiblichen Konkurrenz. "Wir haben keinen Bonus mehr", stellt Sabadus nüchtern fest. Da tut es gut, wenn einem die internationale Presse attestiert, man singe "so großartig wie ungekünstelt", gehöre zu den "wichtigsten Interpreten des Counter-Repertoires" und habe "die Strahlkraft und Beweglichkeit eines Countertenors der absoluten Spitzenklasse".
Valer Sabadus konnte solche Kommentare reihenweise lesen, als er im Sommer beim Festival von Aix-en-Provence in der selten gespielten Oper "Elena" von Francesco Cavalli seinen internationalen Durchbruch feierte. Zuvor war er in einer Art Counter-Gipfeltreffen mit vier weiteren Kollegen opernmäßig unterwegs - mit sensationellem Erfolg.
Dass die hohe Männer-Lage inzwischen auch in der Popmusik für Aufsehen sorgt, sieht der Absolvent der Bayerischen Theaterakademie gelassen. Rumänien schickte beim European Songcontest 2013 in Malmö einen Counter an den Start, der mit einer bizarren Show immerhin Platz 13 eroberte. Kein Problem, sagt Valer Sabadus, "schließlich waren in der Barockzeit die Männer mit den hohen Stimmen auch illustre Showstars". Für ihn selbst ist das keine Alternative. "Auf der Popbühne", da hat der Sänger keinen Zweifel, "würde ich mich nicht unbedingt sehen wollen".Extra

Valer Sabadus tritt am Freitag, 20. September, 20 Uhr, mit einem Arienabend, der Georg Friedrich Händel gewidmet ist, im Kloster Machern auf. Begleitet wird er vom Ensemble Lyriarte. "Für den kleinen Saal passt das ideal", versichert der Countertenor und verspricht "eine Mischung aus bekannten und unbekannten Arien". Karten gibt es im TV-Service-Center und an der Abendkasse. DiL

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