Musik Die hohe Schule des Cembalospiels

Welch eine wunderbare, ungemein vielfältige Komposition! Und welch eine hoch differenzierte Interpretation! Anne-Catherine Bucher hat Bachs „Goldberg-Variationen“ neu auf CD eingespielt.

 CD Anne-Catherine Bucher , Goldberg-Variationen

CD Anne-Catherine Bucher , Goldberg-Variationen

Foto: Naxos

Kein Zweifel: Das ist die hohe Schule des Cembalospiels. Die Cembalo-Professorin am Konservatorium in Metz beschränkte sich dabei nicht auf die technische Bewältigung des Riesenwerks. Sie hat die komplexen Strukturen dieser Musik eingehend analysiert. Das Resultat ist eine CD-Veröffentlichung, die es mit den zahlreichen Einspielungen dieser Komposition zweifellos aufnehmen kann.

In der Einspielung beim Label „Naxos“ wird rasch spürbar mit welchem Engagement und welcher Sensibilität sich Bucher diesem epochalen Werk angenähert hat. Sie unterschlägt nichts und spielt bis zum Ende alle Wiederholungen konsequent aus. Die Detailgenauigkeit ihrer Interpretation ist frappierend und ihre stilistische Hellhörigkeit gleichfalls.

Bucher ist Französin und bereichert Bachs Komposition mit der Noblesse französischer Stilistik. Die Feinheiten der Cembalo-Interpretation, die subtilen Verzierungen, die gebrochenen Akkorde und nachgeschlagenen Akkord-Töne, die sorgfältig angepassten, präzisen Artikulationen – all das realisiert sie mit größter Sorgfalt und Phantasie. Aber sie bringt auch die emotionale Energie mit für die großen, ausladenden Entwicklungen des Werks und die glanzvolle Virtuosität der letzten Variationen. Was sie an ihrem Cembalo realisiert, ist ein dynamisches Prinzip – ein Entwicklungsbogen auf mehreren Ebenen: Nachdenklichkeit, die in  tiefste Trauer mündet, eine sich stetig steigernde Virtuosität, schließlich in den neun Kanon-Variationen zunehmend Klarheit und Einfachheit.

Und dann die 30. und letzten Variation, das „Quodlibet“ aus zwei derben Volksliedern. Bucher, die noch in der vorletzten 29. Variation den Klang ihres herrlichen Cembalos zu einer Fülle von Akkorden verdichtet hatte, sucht in diesem erstaunlichen Abschluss weder bäuerliche Drastik noch sentimentale Besinnlichkeit. Nach all den virtuosen Kunststücken zuvor stellt sie Bachs Musik einfach wieder auf die Füße, erdet sie gleichsam. Das ist für diesen ungewöhnlichen Abschluss der Variationsreihe eine rundweg überzeugende Lösung.

Martin Möller

Johann Sebastian Bach, Goldberg-Variationen. Anne-Catherine Bucher, Cembalo, Naxos

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