Anonym und mitreißend

Trier · Der aus Morbach stammende Regisseur und Kameramann Achim Wendel hat schon einige beeindruckende Kurzfilme gedreht. "Der Fall Max Mustermann" ist der neuste und wurde mit einigen weiteren Werken jetzt in Trier präsentiert.

 Regisseur Achim Wendel. TV-Foto: Frank Göbel

Regisseur Achim Wendel. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. "Bitte, kommen Sie nach vorne", bittet Regisseur Achim Wendel die wenigen Zuschauer, die sich zur Vorstellung seines neuen Kurzfilms "Der Fall Max Mustermann" in den großen Saal der Tufa begeben haben. Einige haben sich weit nach hinten gesetzt, doch Wendel erklärt ihnen, dass die Leinwand, auf die die Filme per Beamer projiziert werden, nicht allzu groß sei. Für jemanden wie Wendel, der in die Bilder seiner Filme erkennbar viel Schweiß investiert, eine nicht auszuhaltende Vorstellung, dass der Zuschauer nicht in diese Bildwelt eintauchen kann.
Nachdem also alle etwas näher Platz genommen haben, geht es los mit dem Mystery-Film "Die zwei Gesichter". Auch wenn manchmal ein etwas gestelzt aufgesagter Dialog verrät, dass der aus Morbach stammende Regisseur hier mit einer Laienspielertruppe (Limelight) zusammengearbeitet hat, besticht der an der Burg Ramstein gedrehte Film doch durch stimmungsvoll und aufwendig inszenierten Gothic-Horror.
Der nächste Film ist an der Hochschule der Medien in Stuttgart entstanden, wo Wendel studiert hat: "Pizza Amore" schildert die skurrilen Erlebnisse eines liebeskranken Jünglings, der sich dreist eine Mitfahrt bei einem Pizzaservice erschleicht, weil das Geld fürs Taxi fehlt.
Ungemein beeindruckend dann "London liegt am Nordpol": Der Film wurde im Vitellius-Freibad in Wittlich gedreht und ist fast durchgehend mit Laien besetzt, was man ihm aber nicht im Geringsten anmerkt. Das liegt laut Wendel an der sehr langen Vorbereitungszeit mit ausführlichen Castings und Workshops. Der Streifen zeigt in opulenten, stimmungsvoll kolorierten Bildern einen selbstbewussten geistig Behinderten (ganz stark: Lukas Krämer), der an einem Sommernachmittag im Freibad auf die 13-jährige Laura trifft und versucht, Anschluss an deren Clique zu finden.
Auch sehr stark, aber gegen "London" fast wieder abfallend, dann die Premiere von "Der Fall Max Mustermann": In einer nicht näher spezifizierten Zukunft, in der jede Individualität abgeschafft wurde, erregt ausgerechnet Mustermann bei einer Kontrolle den Argwohn der allmächtigen Staatsmacht. Gedreht wurde der kafkaeske Alptraum in Marienborn, dem größten ehemaligen innerdeutschen Grenzübergang, der heute noch als Mahnmal erhalten ist.
Die Baracken, Kontrollstationen und mächtigen Scheinwerfer wurden durch digitale Bearbeitung noch endloser gemacht und endgültig abstrahiert. Auch den durchweg glatzköpfigen, durch Kontaktlinsen schwarzäugigen Menschen fehlt jedes Unterscheidungsmerkmal. Das ist so perfekt gemacht, dass "Der Fall ..." zwar als intellektuelle Parabel gut funktioniert, man sich als Zuschauer aber kaum mit einer Figur identifiziert. Sehenswert ist der Film aber definitiv genauso wie die anderen gezeigten Filme - und sicherlich auch vieles von dem, was Achim Wendel noch in Zukunft machen wird. fgg

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