Kunst Antike, Moderne und bessere Zukunft – Eduardo Chillidas „Käfig der Freiheit“ in Trier

Trier · Eduardo Chillida wäre am 10. Januar 2024 100 Jahre alte geworden: Mit seinen monumentalen Skulpturen schmücken sich Metropolen in aller Welt. Auch in Trier hat Eduardo Chillida Spuren hinterlassen. Sein "Käfig der Freiheit" an der Europäischen Rechtsakademie (ERA) ist Gegenstand einer Ausstellung mit dem Titel "Kunst kennt keine Grenzen". In der ERA war die Schau im Jahr 2017 zu sehen.

 Chillida (rechts) dirigiert die Ausrichtung seiner Skulptur „Käfig der Freiheit“. Sie wurde im Frühjahr 1998 in Trier vor der Europäischen Rechtsakademie und der Landeszentralbank aufgestellt. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Chillida (rechts) dirigiert die Ausrichtung seiner Skulptur „Käfig der Freiheit“. Sie wurde im Frühjahr 1998 in Trier vor der Europäischen Rechtsakademie und der Landeszentralbank aufgestellt. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Trier. Ein kalter Aprilwind fegt über den freien Platz, um den sich das Ensemble der Europäischen Rechtsakademie (ERA) schart. Die kleine Gruppe, darunter der amtierende Trierer Oberbürgermeister Helmut Schröer, klappt den Mantelkragen hoch und blickt himmelwärts. Oben in der Luft schwebt, aufgehängt an einem gewaltigen Kran ein riesiger Gitterkäfig aus Cortenstahl. Ein schmaler weißhaariger Mann löst sich aus der Gruppe und beginnt, das Aufsetzen des Käfigs zu dirigieren. Eduardo Chillida, der weltweit tätige und hochrenommierte Bildhauer, ist nach Trier gekommen, um den neuen Heimplatz seines "Käfigs der Freiheit" einzurichten. Mit der ihm eigenen Sorgfalt justiert er die Skulptur. Zur Stadt hin und zu den Kirchtürmen soll sein Sinnbild für geistige wie demokratische Freiheit weisen. Trier scheint dem 1924 in San Sebastian geborenen Spanier ein idealer Ort für sein Werk. "Ich war von Trier schon beim ersten Besuch begeistert", sagt er später im TV-Gespräch. "Hier fand ein fruchtbarer Dialog zwischen Antike und Moderne statt, hin zu einer besseren Zukunft. Dazu wollte ich beitragen." Probleme mit dem Abstrakten

Das war 1998. Seitdem steht die Skulptur, die heute der ERA gehört, eher unbeachtet auf dem kleinen Hochplateau an der Metzer Allee. Was auch Gabriele Lohberg bedauert. "Leider wird die Skulptur in der Trierer Öffentlichkeit viel zu wenig wahrgenommen." Innerhalb ihres Seminarprojekts "Kunst im öffentlichen Raum" rückt die Leiterin der Europäischen Kunstakademie jetzt Chillidas Werk neuerlich in den Vordergrund. Das von ihr geleitete Projekt des Kunsthistorischen Instituts Trier, das von der Nikolaus-Koch-Stiftung gefördert wird, ist auf vier Jahre angelegt. "Wir wollen auf die Kunst im öffentlichen Raum hier in der Region und darüber hinaus aufmerksam machen", erklärt Lohberg. Für mehr noch will sie Studierende wie Publikum sensibilisieren: "Kunst im öffentlichen Raum wird immer wichtiger und vielfältiger." Dabei haben es gerade abstrakte Werke wie Chillidas "Käfig" schwer. "Die abstrakte Form ist auch für Studierende nicht so leicht zugänglich", sagt Lohberg. "Sie müssen sie sich erst im Laufe des Seminars erarbeiten." Das musste übrigens auch der Künstler selbst. Bis zu seinem "Käfig der Freiheit" war es für den Basken ein langer Weg. "Die Entdeckung des Raums, war immer eine meiner großen Leidenschaften", erzählt der Bildhauer. Schmerzen und existentielle Nöte habe ihm die Faszination des Raums verursacht, erinnert er sich. Erst einmal musste der Abschied vom rechten Winkel bewältigt werden, an dem sich der junge Architekturstudent buchstäblich stieß. Kein leichtes Unterfangen und kaum dem zackigen Offiziersvater zu vermitteln, dem das Rechteck naturgemäß näher stand als die geschwungene Linie, mit der fortan der Sohn als Bildhauer weit in den unendlichen Raum greifen und vordringen wollte, um dabei neuen künstlerischen Raum zu gewinnen und zu schaffen. Sein eindrucksvolles Werk gibt dem 2002 gestorbenen Künstler recht. Chillidas unermüdliches Ringen mit dem "Geheimnis des Raums" und dessen Bedeutung wird nirgends so deutlich wie in seinem grafischen Werk. Seine beiden Mappen "Une Hélène de vent ou de fumée" und "Aromas" werden dazu in der Trierer Ausstellung gezeigt. Attacke gegen den Raum

Der Trierer "Käfig" wird übrigens zu den bedeutendsten Werken des Bildhauers gezählt. Seine Entstehung war für den Künstler ein Befreiungsschlag im Wortsinn. Als er seinerzeit an einem kleinen Werk arbeitete, befiel ihn plötzlich ein Gefühl gleicher Enge. "Ich begann den Raum zu attackieren." Umgehend vergrößerte er das Volumen und öffnete die geschlossenen Flächen so weit, dass man durch das restliche Gitterwerk hindurchschlüpfen konnte. Am Ende war es ein "Käfig der Freiheit". Denn: "Ich mag nun mal keine Gefängnisse." Das galt dem 2002 gestorbenen Spanier sowohl im wirklichen Leben wie für den geistigen und seelischen Raum.

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