Antikenfestspiele am Scheideweg

Es wird eng für die Trierer Antikenfestspiele. Das durch Zuschauermangel verursachte Defizit der diesjährigen Auflage hat die Stimmung kippen lassen. In den Stadtratsfraktionen mehren sich, wenn auch noch inoffiziell, die Befürworter eines Stopps für das ehrgeizige Kultur-Projekt.

Trier. Am 26. Juni war die Antiken-Welt noch in Ordnung. Da versammelten sich Honoratioren und Kulturpolitiker nach der "Ödipus"-Eröffnungspremiere im lauschigen Hof des Landesmuseums und sonnten sich im Glanz einer großartigen Theateraufführung. "Nach diesem Abend", rief ein enthusiastischer Kulturdezernent Thomas Egger aus, werde es "ein Leichtes sein, die Festspiele in den nächsten Jahren in ganz Deutschland wieder bekannter zu machen".

Zehn Wochen später ist Egger die Euphorie vergangen. Der Liberale, der die Festspiele 2010 samt Programm und Konzept von seinem Vorgänger quasi geerbt hatte, musste inzwischen nach einem Kassensturz ein Defizit vermelden, das mit (zurzeit) rund 250 000 Euro ein Viertel des Gesamt-Budgets beträgt. Nur 6800 Zuschauer kamen zu den vier Produktionen im Amphitheater, darunter eine noch nicht endgültig definierte Zahl von Frei- und Sponsorenkarten. Das riss ein Riesen-Loch in die Einnahmen, nebst zusätzlichen Ausgaben für die Orchester-Überdachung.

Seither ist Feuer unterm Rathausdach, und die Äußerungen des Dezernenten werden immer vager. Die Stadtratsfraktionen haben sich nach der Unterrichtung im Kulturausschuss letzte Woche Bedenkzeit ausgebeten, aber so mancher läutet schon das Totenglöckchen für das einstige Paradepferd der Trierer Kulturpolitik.

Auch beim Land, dem 50-Prozent-Mitfinanzier, ist hinter den Kulissen zu hören, dass man über ein Ende der Antikenfestspiele in der bisherigen Form nicht unglücklich wäre. Freilich will man angesichts des Wahljahrs 2011 nicht die Initiative ergreifen. "Diese unangenehme Entscheidung müssen die Trierer schon selbst treffen", sagt ein Mainzer Insider.

Der Einzige, der sich ohne Wenn und Aber hinter die Festspiele und das Konzept "Unbekannte Meisterwerke" gestellt hat, ist Intendant Gerhard Weber. Der Theaterchef, der in Sachen Antikenfestival in den letzten Jahren manchmal etwas zögerlich wirkte, wirft dieses Mal sein ganzes Gewicht in die Waagschale, ohne Wenn und Aber. Er sei, sagt Weber, "absolut davon überzeugt, dass wir uns mit diesem Konzept auf dem überregionalen Markt durchsetzen können". Vorausgesetzt, man bekomme die nötige Anlaufzeit und ein Budget, das professionelle PR-Arbeit ermögliche.

Genau da liegt aber die Hürde, die der Stadtrat überspringen müsste. Für 2011 bräuchte Weber ("Der Spielplan ist vorbereitet, wir könnten sofort loslegen") mindestens so viel Geld wie dieses Jahr, tendenziell sogar eher mehr.

Und er braucht es schnell. Denn die wichtigen Messen für den Bustourismus laufen im Oktober an, und auch potenzielle Sponsoren legen ihr Budget fürs nächste Jahr spätestens bis November fest. Und dann ist der Zug für die Antikenfestspiele so oder so abgefahren.

Wie kann es weitergehen? Dafür haben wir fünf Szenarien ausgearbeitet (siehe unten).

Meinung

Alles, nur keine Hängepartie

Die Antikenfestspiele sind wahrlich kein Ruhmesblatt des Trierer Stadtrats. Nichts, was in diesem Sommer passiert ist, dürfte die Volksvertreter eigentlich überrascht haben. Dass die Frist für einen Neustart 2010 viel zu kurz war, dass das Amphitheater eine teure Produktionsstätte ist, dass ein anspruchsvolles Konzept mehrere Jahre Anlaufzeit braucht: All das ist oft und deutlich genug gesagt und geschrieben worden. Aber der Rat wollte die Festspiele um jeden Preis 2010, um jeden Preis im Amphitheater, und er wollte dieses Konzept. Nun steht die Höhe des Preises fest, und schon senken viele den Daumen. Langer Atem und Konsequenz sehen anders aus. Deshalb sollte man wenigstens jetzt mit der Herumeierei aufhören. Es gibt drei Optionen: Weiter mit Gerhard Weber und seinem Konzept. Dann aber auf mindestens drei Jahre und mit ausreichendem Budget. Das läge nahe, wenn die Stadt Vertrauen in den Intendanten hat, dessen Vertrag sie gerade verlängerte. Oder weiter mit neuem Konzept, bescheidener, nicht mehr im Amphitheater - und unter anderer Trägerschaft. Oder aber ein Ende mit Schrecken. Das wäre, wenn denn in der Trierer Bürgerschaft und Geschäftswelt niemand für die Festspiele einsteht, auch konsequent. Alles, nur keine weitere Hängepartie. d.lintz@volksfreund.de

Extra

Die Trierer Antikenfestspiele wurden 1998 vom damaligen Intendanten Heinz Lukas-Kindermann gegründet. Zunächst übernahm eine GmbH die Trägerschaft, später ging sie nach finanziellen und personellen Turbulenzen ans Theater über. In der Start-Saison gaben sich mit Peter Ustinov, Anja Silja, Hildegard Behrens und Franz Grundheber Stars die Klinke in die Hand. Später kamen René Kollo, Hanna Schygulla, Martha Mödl oder Cornelia Froboess. Aber das Promi-Aufgebot wurde im Laufe der Jahre immer kleiner. Die Zuschauerzahl schwankte zwischen 12 000 und 6500. Als Dauerproblem erwiesen sich das Wetter und der Wechsel der Spielstätten. Mehrfach gab es finanzielle Defizite. Den größten künstlerischen Einbruch erlebte man 2005 mit dem Musical "Quo vadis". Highlights waren die Opern Attila, Elektra und Rienzi. (DiL)

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