Antworten auch für unsere Zeit

Wittlich/Trier · Das geistige Erbe des Philosophen Peter Wust, der vor 130 Jahren im Saarland geboren wurde, ist heute noch lebendig. Seine lebenslange Suche nach dem Sinn des menschlichen Lebens ist brandaktuell. Auch in der Region hat der leidenschaftliche Denker einige Spuren hinterlassen.

 Lebenslang ein Vermittler zwischen Glauben und Vernunft: der saarländische Philosoph Peter Wust. Foto: SZ/Archiv

Lebenslang ein Vermittler zwischen Glauben und Vernunft: der saarländische Philosoph Peter Wust. Foto: SZ/Archiv

Wittlich/Trier. Auf den Namen von Peter Wust stößt man in der Region des Öfteren. Zwei Gymnasien - in Merzig und in Wittlich - tragen seinen Namen, eine Straße im Trierer Stadtteil Heiligkreuz sowie ein Wanderweg im Saarland sind nach ihm benannt. Seit 1975 verleihen die Katholische Akademie Trier und die Christliche Erwachsenenbildung Merzig alle zwei Jahre den Peter-Wust-Preis zur Förderung der europäischen Kultur und europäischen Einigung. Und die Peter-Wust-Gesellschaft mit Sitz in Merzig-Hilbringen bewahrt sein geistiges und philosophisches Erbe.
Denn Wust gehört zu den christlichen Existenzphilosophen des 20. Jahrhunderts. Wer aber war Peter Wust und welche Bedeutung kommt ihm heute noch zu?
Peter Wust stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Aber was seine schulische Laufbahn betrifft, hatte er Glück gehabt. Ohne die privaten Lateinstunden von Pfarrer Johannes Braun im Pfarrhaus in Wahlen, einem Nachbarort seines saarländischen Heimatdorfs Rissenthal, hätte er nie den Sprung auf das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier geschafft. Wusts Vater war ein Siebmacher, der nur mit viel Mühe seine große Familie mit elf Kindern durchbrachte.
Wust, der 1884 - also vor 130 Jahren - im Saarland geboren wurde, wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Wie sehr er von seiner Herkunft geprägt war, kann man daran erkennen, dass er der Kindheit und Jugendzeit in seinem autobiografischen Werk "Gestalten und Gedanken" sogar drei Viertel des Buches widmete.
Seine Eltern hofften, er würde Priester werden, aber er entschloss sich, nach seinem Abitur Englisch und Deutsch zu studieren und wurde Gymnasiallehrer. Ein reiner Brotberuf, wie er selbst zugab, denn seine große Leidenschaft galt der Philosophie.
1914 promovierte er an der Universität Bonn zum Doktor der Philosophie. Als er später einen Ruf an die Universität von Münster erhielt, obwohl er sich nicht habilitiert hatte, galt er fast ein ganzes Jahrzehnt als "der Philosoph von Münster". Peter Wust hat im Grunde zeit seines Lebens das Gefühl, von Fachkollegen nicht die Anerkennung zu erhalten, die er zweifellos verdient hatte.
Der Schlüssel zum Verständnis seiner Philosophie liegt in seinem heute noch hochaktuellen denkerischen Ansatz, nämlich im Versuch der Beantwortung der Frage, welchen Sinn das menschliche Leben in seiner Begrenztheit und Unbestimmtheit hat und wie sich der Mensch auf der ewigen Suche nach Sinn, Heimat und Geborgenheit finden kann. Peter Wust verknüpft diesen Kampf gegen die ständige Bedrohung und Infragestellung des menschlichen Lebens mit dem Zusammendenken der Dimensionen von existenziellem Zweifel und christlichem Glauben.
In seinem Hauptwerk "Ungewissheit und Wagnis" fasst er seine philosophischen und religiösen Erkenntnisse wie in einem Brennpunkt zusammen. Und gibt damit eine mögliche Antwort auch für unsere heutige Zeit: Angesichts der Komplexität der Jetzt-Zeit in unserer modernen Kommunikationsgesellschaft, in der gleichzeitig nichts gilt und dennoch alles gleich gültig nebeneinander her besteht, kann der Mensch festen Boden unter seine Füße bekommen, wenn er sich auf den christlichen Glauben einlässt und die scheinbaren Widersprüche von Glauben und Vernunft auf einer mystischen Ebene verbindet.
Wie bei vielen anderen Philosophen ist auch sein geistiges Erbe nicht ohne seine Biografie zu verstehen. Leben und Werk gehören eng zusammen. Besonders hervorgehoben werden muss seine Abwendung vom christlichen Glauben während seiner Studentenzeit und seine Rückkehr zur katholischen Kirche im Jahre 1923. Als Professor erzählte er in vertrautem Kreise häufig von seinem "ehrlichen Ringen, aber auch seiner praktischen Gottesferne".
Wusts persönliche Hinwendung zur Kirche und sein philosophischer Denkansatz hingen auch damit zusammen, dass er sich mit den einschlägigen Werken seiner Zeitgenossen wie Max Scheler und Martin Heidegger auseinandersetzte. Doch dachte er die Bedrohung der menschlichen Existenz unter christlicher Perspektive und unterschied sich dadurch radikal vom Denkansatz Heideggers. Der Zusammenhang zwischen den philosophischen Erkenntnissen und seinen persönlichen Überzeugungen hatte im Übrigen zur Folge, dass er sich auch in seiner Arbeit als Hochschulprofessor offen gegen das Nazi-Regime äußerte, das 1933 an die Macht gekommen war. Wust blieb seinem christlich-humanistischen Ideal treu. Zusammengefasst ist sein denkerischer Ansatz in seinen Werken "Dialektik des Geistes" (1928) und in "Ungewissheit und Wagnis" (1936).
Als schriftliches Vermächtnis hinterließ Wust seinen an seine Studenten gerichteten bekannten Abschiedsbrief vom 18. Dezember 1939 auf dem Krankenlager. Darin heißt es unter anderem: "Und wenn Sie mich nun noch fragen sollten, bevor ich jetzt gehe, ob ich nicht einen Zauberschlüssel kenne, der einem das letzte Tor zur Weisheit des Lebens erschließen könne, dann würde ich Ihnen antworten: Jawohl. Und zwar ist dieser Zauberschlüssel nicht die Reflexion, wie Sie es von einem Philosophen erwarten möchten, sondern das Gebet. Das Gebet als letzte Hingabe gefasst macht still, macht kindlich, macht objektiv."
Peter Wust starb 1940 mit 56 Jahren an den Folgen seines Oberkieferkrebses.

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