Architektur: Preisgekrönter Familienbauernhof in Hetzerath

Hetzerath/Berlin · Die Familie Engel hat den alten Familienbauernhof zu einem Wohnhaus und einer Molkerei umgebaut – und wurde dafür mit dem Landbaukultur-Preis 2016 ausgezeichnet.

 Lena Bender und ihre Mutter Gertrud Engel.

Lena Bender und ihre Mutter Gertrud Engel.

Foto: Stefanie Braun
 Lena Bender und ihre Mutter Gertrud Engel.

Lena Bender und ihre Mutter Gertrud Engel.

Foto: Stefanie Braun

Früher war alles besser. Als die Dörfer noch klein und beschaulich waren und nicht von Neubaugebieten umzingelt, als die Bauern noch im Ort lebten und man die Kühe muhen hören und die Schweine in ihren Ställen sehen konnte. Eine friedfertigere Welt für den Menschen und die Tiere, kein Vergleich zur heutigen Massentierhaltung.

So ganz stimme das nicht, weiß Lena Bender. Die 30-Jährige ist in einer Milchbauern-Familie groß geworden, kennt den täglichen Umgang mit den Nutztieren, weiß, wie das Gewerbe heute läuft und wie es früher abgelaufen ist. Schon ihre Großeltern Cilli und Josef Engel waren Milchbauern in Hetzerath, damals noch mit Stallungen im Ort. Es stimme nicht, dass Landwirtschaft früher artgerechter war und es heute nur noch quälende Massentierhaltung gebe.
"Ich glaube nicht, dass die Leute heute noch mal die Landwirtschaft im Dorf haben wollten", sagt Bender. Es frühstücke sich eben angenehmer ohne Fliegen im Gesicht, ergänzt ihre Mutter Getrud Engel.

1995 sind die Tiere aus dem Hof der Familie Engel ausgezogen und somit auch aus dem Ortsbild. Getrud Engel und ihr Mann Stefan hatten außerhalb eine moderne Stallanlage errichtet, sie selbst haben unweit des elterlichen Hofes gebaut und dort ihre drei Kinder großgezogen. Lena Bender ist die mittlere Tochter, die 30-jährige Metallbaumeisterin hat drei Jahre lang ihren Meister in Aachen gemacht, seit über sieben Jahren lebt sie nun schon wieder in ihrem Heimatort. Und hat sich einen Kindheitstraum erfüllt. "Ich wollte schon immer in die Scheune ziehen", erinnert sich die dreifache Mutter heute an ihrem Esszimmertisch in dem freundlichen hohen, mit Holz gestalteten Raum. Als Mitte der 1990er Jahre die Kühe aus dem Stall auszogen, entstand angrenzend an das großelterliche Wohnhaus ein gewaltiger Leerraum.

Immer und immer wieder hatten die Engels an den Hof anbauen lassen, so wurde aus den 20 Metern des ehemaligen Trierer Einhauses aus dem Jahr 1922 (siehe Info) ein 70 Meter langes Bauwerk, von dem ein Großteil nun leer stand. Und verfiel. Der Teil, der nach dem Krieg schnell aufgebaut worden war, war 2013, als Lena Bender und ihr Mann Fabian sich entschlossen zu bauen, nicht mehr zu gebrauchen. "Wir haben das Haus dann in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt", erzählt Bender. Sie hatte die Schönheit der alten Scheune schon als Kind erkannt und mit ihrem Mann jemanden gefunden, der Lust hatte, diesen alten Traum zu erfüllen.

Dabei war ihr klar: Der Scheunencharakter sollte auf jeden Fall erhalten bleiben. "Viele statten die alten Scheunen mit den für Bauernhäuser typischen Sprossenfenstern aus, sodass es von außen aussieht wie ein normales Wohnhaus." Das wollte sie auf keinen Fall. Zur Straße hin blieben die Fenster schmale Lüftungsschlitze, nach hinten raus kam die Panoramasicht. "So ein altes Gebäude hat einfach viel mehr Flair, außerdem ist es schade zu sehen, dass so viel leer steht oder so schöne Räume nur als Lagerräume genutzt werden." Außerdem traue man sich mehr, wenn man einen bestehenden Raum nutzen könne: Sie ließen den meterhohen Raum offen, eine Decke für eine andere Etage wurde nur teilweise eingezogen. "Wenn man diesen Raum erst schaffen müsste, wäre das viel zu teuer, aber wenn die Größe bereits steht, kann man auch großzügiger sein. Man hat einfach Luft nach oben." Die Benders entkernten das alte Nutzgebäude, erneuerten das Dach zusammen mit dem Dach des angrenzenden Hauses der Großeltern und gestalteten alles in Eigenleistung.

Lena Bender arbeitet in der Planung einer Schreinerei für Fenster-Fassaden-Technik, ihr Mann ist Schreinermeister. Von ihr kamen die Pläne, ihr Mann nahm sich ein Jahr Auszeit und arbeitete am und im Haus. Von Januar 2013 bis Dezember 2013, im Sommer kam zudem eines der drei Kinder zur Welt. Momente, in denen sie sich dachten, was sie sich da aufgebürdet hatten, käme bei jedem Bau, sagt Bender. "Gerade ein Umbau ist schwer zu kalkulieren, da kommen manchmal böse Überraschungen auf einen zu."

Während des Umbaus mussten sie zwei Wochen pausieren, um eine Horizontalsperre ins Haus einzuziehen: Das eigentliche Gebäude aus Sandstein gründe auf einem Lehmboden, der Sandstein ziehe ständig Feuchtigkeit in die Wände hoch. Um dem entgegenzuwirken, mussten sie alle zehn Zentimeter Bohrungen um das Haus herum machen und diese mit einem Material auffüllen, das die Feuchtigkeit bremst.

Den Aufwand hätten sie anfangs unterschätzt, und normalerweise hätten alleine diese zwei Wochen Arbeit ein Vermögen gekostet. "Aber wenn man vieles selber machen kann, kann man auch vieles auffangen." Man habe gewusst, worauf man sich einlässt, sagt ihre Mutter Gertrud Engel, das Gebäude sei ja im Familienbesitz gewesen, da hätten die Karten offen auf dem Tisch gelegen.

Außerdem, wenn man sich zu so etwas entschließe, gebe es ab einem bestimmten Moment kein Zurück mehr, dann müsse man durch. Fürs Fluchen blieb ihnen keine Zeit, sagt Bender, aber ein paar schlaflose Nächte habe es schon gegeben. Im Januar 2016 wagten sie sich dann ans nächste große Projekt, ein zweiter Teil der alten Scheune, aus den 1970er Jahren, sollte zur Familien-Molkerei umgebaut werden. Auch hier machten Lena Bender und ihr Mann die Pläne und arbeiteten zusammen mit den Eltern und Bruder David Engel an dem Ausbau. David führt nun die Geschäfte in der elterlichen Molkerei. Die erste Milch lief im November 2016 vom Band und kann seitdem direkt vor Ort erworben werden.

Damit hätten sie die Landwirtschaft ein Stück weit wieder zurück ins Dorf gebracht, sagt Engel, einer der Gründe, warum sie den Landbaukulturpreis 2016 für den Ausbau des Hofes bekommen haben. Den Preisrichtern gefiel, dass die Landwirtschaft in diesem Familienbetrieb weiterhin besteht, sagt Bender: "Mittlerweile leben und arbeiten ja vier Generationen auf diesem Hof."

In dem Moment, in dem die Tiere aus dem Dorf verschwunden seien, habe eine Entfremdung stattgefunden, erklärt Engel, durch die Molkerei und den Verkauf seien Dorf und Landwirtschaft wieder enger zusammengewachsen.
"Früher hatte jede Region ihre typischen Höfe, von denen sie auch geprägt war, heute ist vieles ein Einheitsbrei. Dem will der Preis entgegenwirken, damit die landwirtschaftliche Grundsubstanz wieder bewusster wird", sagt Engel.
Dass so ein Hof im Besitz einer Familie bleiben kann, ist etwas, das nicht immer funktioniert, weiß Bender. "Oft werden die alten Scheunen abgerissen, was schade ist, weil viel Potenzial in ihnen steckt." Dennoch würde sie jedem davon abraten, eine Scheune zu sanieren, wenn er nicht vom Fach ist: "Wenn man das hier in Auftrag geben würde, würde es einem finanziell schnell um die Ohren fliegen. Dann ist es in der Tat einfacher, man baut etwas Neues."
Wenn Lena Bender durch das große Fenster in ihrem Treppenhaus blickt, schaut sie auf einen kleinen Garten mit Hasen, umrahmt ist er mit den Umrissen der weggebrochenen Scheune, dahinter steht die neue Molkerei. Sie hätten diese Verbindung bewusst wieder geschaffen, damit erkennbar bleibt, dass es ein Hof ist. "Man soll von außen ruhig erkennen, dass das hier ein Familienbetrieb ist, man wohnt schließlich auch nicht gerne neben einem abgegrenzten fremden Betrieb, sondern lieber neben etwas, das zu einem gehört."

Der Trierische Volksfreund stellt die drei Preisträger des Landbaukulturpreises vor, nächstes Mal die Gästehäuser der Winzerfamilie Longen-Schlöder.
Teil dieser Reihe ist auch die Scheune in Minden (Eifelkreis Bitburg.Prüm), die im Architekturjahrbuch 2016 steht.

Das Trierer Einhaus
(sbra) Jede Region in Deutschland hat ihre typischen architektonischen Besonderheiten. Gerade im dörflichen und somit auch oft landwirtschaftlichen Bereich begegneten einem diese früher häufig. In der Region um Trier war es das Trierer Einhaus. Einhaus, weil das Wohnhaus und die Wirtschaftsgebäude einen aneinander angeschlossenen Gebäudekomplex bildeten. Mit dem Rückgang der Landwirtschaft verlieren gerade viele Wirtschaftsgebäude ihren Nutzen.
BUZ Lena Bender und ihre Mutter Gertrud Engel.

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