Argus-Augen im Kinodunkel

Der Kampf gegen Raubkopierer und Filmpiraten nimmt immer strengere Züge an. So schrecken die großen Filmstudios nicht davor zurück, ihrem Publikum mit modernster Technik nachzustellen. In einem Magdeburger Cinestar-Kino wurden die Zuschauer jüngst während der Premiere des neuen "Harry Potters" mit Nachsichtgeräten überwacht.

Trier. Wenn das Licht im Kino ausgeht, dann ist man (gefühlt) nicht mehr allein mit dem Kinofilm auf der Leinwand. Argus-Augen im Dunkeln beobachten die Besucher, ob diese nicht Handykameras gen Leinwand halten.

Wie aus George Orwells "1984"



Was wie eine Allmachtsphantasie aus George Orwells Roman "1984" anmutet, ist in deutschen Kinos bereits graue Realität. Denn auch im Filmpalast Trier mit seinen sieben Kinosälen wird regelmäßig mit Nacht-sichtgeräten das Kinopublikum im Dunkeln abgekämmt und nach etwaigen Raubkopierern durchsucht. "Das ist für uns nichts Neues", erklärt Bernhard Benischek, Theaterleiter des Cinemaxx Trier, gegenüber dem TV. Mindestens zwei Mal im Monat kündigen große Filmverleiher an, zu den Film-Previews (Vor-Premiere) Sicherheitsfirmen in die Vorstellung zu schicken, um von Mitarbeitern mit Nachtsichtgeräten das Publikum zu kontrollieren. Das scheint in Trier bereits gang und gäbe.

"Uns ist das ein Dorn im Auge", meint Bernhard Benischek zähneknirschend. Man schäme sich selbst dafür vor dem Publikum. Nach wie vor hätten die Mitarbeiter des Kinos sowieso stets ein wachsames Auge, ob jemand während einer Vorstellung Video-Mitschnitte zu machen versucht. "Wir selbst besitzen keine Nachtsichtgeräte, und wir spionieren unser Publikum nicht aus", betont Benischek. Zwar sei es absolut nachvollziehbar, dass die Filmstudios ihre hochwertigen Filme vor Filmpiraten schützen wollen, doch solche Maßnahmen seien übertrieben. Es gehöre mehr dazu, einen Film im Kino qualitativ abzufilmen und ins Netz zu stellen. Das sei mit Handykameras oder einem flugs errichteten Camcorder nicht zu machen, meint Benischek.

Die Raubkopiererei direkt in den Kopierwerken sei das eigentliche Problem der Filmindustrie, der durch illegale Raubkopien große Verluste widerfahren. Filme stehen sogar schon Tage vor dem offiziellen Kinostart im Internet zum Herunterladen bereit.

Auch in Trier ist den Filmverleihern das eigene Publikum suspekt. Es wird überwacht. "Das geschieht ausschließlich bei Premieren. Zudem müssen diese Maßnahmen dem Publikum vorher angekündigt werden", fügt Benischek weiter an. Das Kinopublikum werde über die Überwachungsmaßnahme vor der Vorstellung informiert. Von derartigen Vorfällen will derweil Arne Schmidt, Pressesprecher der Kino-Kette Cinemaxx in Deutschland auf TV-Anfrage nichts wissen, als er mit der Sachlage aus der Filiale in Trier konfrontiert wird. "Mir ist kein Fall bekannt, dass in einem unserer Kinos so etwas vorgekommen ist", konstatiert Schmidt. Jeder Filmtheaterleiter mache das für sich aus, fügt Arne Schmidt dann aber hinzu.

Schlafende Hunde hat die Meldung aus Magdeburg in Mainz geweckt. Mit Sorge beobachtet Edgar Wagner, Datenschutzbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz, die Entwicklung der Überwachungsmaßnahmen im öffentlichen, aber auch zunehmend privaten Raum. Dass Filmverleiher im Dunkeln mit Nachtsichtgeräten das Kinopublikum kontrollierten, war ihm bis dato nicht bekannt. "Das ist für uns neu", meint Edgar Wagner. Man wisse, dass Kinobetreiber mit Videokameras ihre Mitarbeiter überwachten. Obligatorische Kontrollen durch Kinomitarbeiter, die ein Auge auf das Publikum haben, sind legal. "Doch wenn man dann ein Fernglas zur Hand nimmt, dann ist die Form der Kontrolle schon eine Note aggressiver", meint Wagner. Solange keine Aufzeichnungen gemacht würden, sei dies kein Verstoß gegen das Datenschutzrecht. "Ich finde das sehr problematisch. Wir müssen prüfen, ob diese Maßnahmen datenschutzpolitisch und datenschutzrechtlich zu dulden sind." In den USA sind Kotrollen mit Nachtsichtgeräten schon seit einigen Jahren bekannt.

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