Asyl im Atelier

Trier · Mit ihrer Initiative "Kunstasyl" beteiligt sich die Trierer Tufa einmal mehr am interkulturellen Austausch. Zudem ist das Projekt ein verdienstvoller Beitrag zur Flüchtlingshilfe und zur Integration.

 Merve, Farhad und Salman (von links) bereiten gemeinsam ein neues Bild vor.TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Merve, Farhad und Salman (von links) bereiten gemeinsam ein neues Bild vor.TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Foto: (g_kultur

Trier. Eine Reihe Staffeleien mit weißen Papierbögen steht links an der Wand. Ein schmaler Mann mit grauem Pferdeschwanz ist gerade dabei, auf seinem Bogen mit Kreppband eine Malfläche zu begrenzen und das Blatt auf der Platte darunter zu fixieren. Das verlangt ganze Konzentration. Drüben ist derweil eine Frau in Latzhose in die Hocke gegangen, um gemeinsam mit einem dunkelhaarigen jungen Mann das weiße Blatt auf dem Boden in Planquadrate einzuteilen. Mitten im Raum stehen Farbtuben und Pinsel zur Selbstbedienung. Für ein paar Wochen ist der große Ausstellungssaal im zweiten Obergeschoss der Tufa zum "Kunstasyl" geworden.Erfahrungen mit Tanzprojekt


"Wir wollen mit dieser Aktion interessierten Flüchtlingen und Asylbewerbern, die sich hier in Trier aufhalten, die Gelegenheit geben, künstlerisch zu arbeiten und sich auszudrücken", erklärt Tufa-Geschäftsführerin Teneka Beckers ihr neues Projekt. Mit vergleichbaren Initiativen aus der Sparte Tanz hat das sozio-kulturelle Zentrum bereits gute Erfahrungen gemacht. "Unter den Flüchtlingen sind nun mal mehr Tänzer als Bildende Künstler", räumt Beckers ein.
Stattliche 35 Teilnehmer haben sich fürs "Kunstasyl" angemeldet. Gemeinsam mit den Flüchtlingen, meist Syrern, arbeiten kunsterfahrene und -interessierte Mitglieder anderer Trierer Kunstinitiativen. Eine davon ist Irina Ruprecht, die Frau in der Latzhose. Die Trierer Malerin hat die Initiative "Malen ohne Grenzen" gegründet. Für die weltläufige Künstlerin ist der interkulturelle Austausch ein geradezu existenzielles Bedürfnis. Am Wochenende hat sie mit den Teilnehmern kleine Collagen gestaltet, die jetzt auf das große Format des Papierbogens übertragen werden sollen. Damit die Organisation der Fläche einfacher ist, wird das Blatt mittels Bleistift und viel Geduld in eben jene rechteckigen Felder eingeteilt.
Neben den Collagen sind auch kleine Arbeiten mit Farbreihen entstanden. "Wir fangen erstmal mit den Grundkenntnissen an", sagt die Malerin und zeigt auf die Blätter, "zum Beispiel, welche Farben beim Mischen entstehen". Der Umgang mit Pinsel und Farbe macht auch den Teilnehmern Spaß, selbst, wenn sie bisher nie etwas mit Malerei zu tun hatten. "Mit dem Bleistift haben wir schon immer gern gezeichnet", erzählt Mustafa, ein Student der Wirtschaftswissenschaften, der aus Syrien geflohen ist. "Ja", stimmt sein Bruder Farhad, angehender Mathematiker, zu, "die Malerei ist etwas Neues, Spannendes".
Bereits intensivere Erfahrung mit der Kunst hat Salman. Der junge Afghane, der schon an der Europäischen Kunstakademie gearbeitet hat, hat Zeichnungen mitgebracht, die großes technisches Können verraten. Die Kunst will der 19-Jährige auch zum Beruf machen. "Ich will dabei bleiben und Künstler werden."Gäste sind willkommen


In der Trierer Gruppe seien alle sehr nett, freut sich der dunkelhaarige junge Mann, und viel zu lernen gebe es auch. Was Salman anstrebt, hat Nour bereits geschafft. Die junge Syrerin hat in Damaskus Kunst studiert. Ihre große Liebe gilt dem Expressionismus, mit dem sie bereits in ihrer Heimat bekannt wurde. "Wir hatten in Damaskus vor dem Krieg eine äußert lebendige moderne Kunstszene", sagt die junge Frau mit den eindrucksvollen Locken ein wenig traurig. Neue Kenntnisse und vielfältige menschliche Bereicherung erwartet auch Merve von ihrer Teilnahme am "Kunstasyl" und dem Austausch mit ihren neuen Maler-Freunden. Die Studentin hat das Fach Modedesign an der Hochschule belegt. Das Zeichnen ist ihr von daher vertraut. "Allerdings habe ich noch nie mit Acrylfarbe und Leinwand gearbeitet". Zudem mache auch die interessante Gruppe Spaß.
Wie Merve geht es auch ihrer Studienkollegin Viktoria, deren Familie vor bald zwei Jahrzehnten aus Kasachstan kam. "Ich finde es total interessant zu hören, was andere Flüchtlinge berichten", sagt die 21-Jährige. Helfen und dabei selbst lernen ist auch das Anliegen von Doha, einer in Trier lebenden jungen syrischen Medizinerin. Ihr Bruder hat die Trierer Gruppe FAOSE gegründet, die seit 15 Jahren Opfer des Kriegs in Syrien unterstützt. Etwas abseits steht Jamal. Der 54-jährige Profikünstler, der mit Familie nach Deutschland geflohen ist, arbeitete in Syrien vor allem als Porträtmaler.
Die Stimmung ist gut an diesem frühen Abend in der Tufa. Und weil auch Künstler Hunger haben und der interkulturelle Austausch auch durch den Magen gehen kann, hat Momo, der Koch, für die Gruppe ein paar leckere Speisen vorbereitet. Übrigens: Interessierte Gäste sind im Kunstasyl herzlich willkommen.
Die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10 bis 21 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr. Abschließende Ausstellung mit Vernissage am 29. April, 19 Uhr, und Finissage am 1. Mai, 16 Uhr; Weitere Informationen auf www.tufa-trier.de

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