Atmen Sie jetzt!

Bitburg, 20 Uhr, draußen eisige Kälte, die Frisur sitzt: Der Mann, dessen Markenzeichen seine Haartolle ist, hat sich am Donnerstag mit seiner Band in der Stadthalle der Frage "Engel oder Teufel" gestellt. Am Freitag war er mit dem Programm in Morbach zu Gast.

 Fast durchweg mit geschlossenen Augen singt Götz Alsmann in der Stadthalle, hinter ihm Markus Paßlick. TV-Foto: Verena Schüller

Fast durchweg mit geschlossenen Augen singt Götz Alsmann in der Stadthalle, hinter ihm Markus Paßlick. TV-Foto: Verena Schüller

Bitburg. Und jetzt atmen, bitte, einmal atmen! Atmen Sie doch endlich! Und plötzlich erwischt man sich als Zuschauer beim Luftholen. Weil er es nicht tut. Götz Alsmann, der einzig wahre deutsche Entertainer alter Schule, dessen Lunge sicher ein gutes Forschungsobjekt wäre. Wie viele Wörter lassen sich in einem Satz unterbringen, wie viele Silben können pro Sekunde gesprochen werden - der 53-Jährige würde all diese Rekordversuche locker meistern.

Am Donnerstag gastierte Alsmann (Moderator der WDR-Sendung "Zimmer frei!") mit seiner Band und dem Programm "Engel oder Teufel" in der Bitburger Stadthalle, am Freitag in der Morbacher Baldenauhalle. Vor rund 550 Besuchern feierte die "Götz Alsmann Band" erfolgreich Premiere in Bitburg. "Ob ich ein Engel oder ein Teufel bin? Ich weiß es selbst nicht", gibt der Musiker aus Münster zu Beginn schelmisch zu. "Aber wir haben zwei Stunden Zeit, das gemeinsam herauszufinden."

Am Ende waren es sogar zweieinhalb Stunden. Und ja, irgendwie hat er etwas Mephistophelisches an sich, aber auch eine engelsgleiche Stimme voller Variationsmöglichkeiten, wenn er - fast durchgehend - mit geschlossenen Augen singt: vom tief-vibrierenden Bass über fröhlich Melodiöses bis hin zum lasziven Sprechgesang oder zarten Flüstern. Überwiegend präsentieren die fünf Herren Stücke der im Mai 2009 erschienenen CD "Engel oder Teufel". Und jeder von ihnen ist wirklich ein Meister seines jeweiligen Fachs: Michael Ottomar Müller (Bassgitarre), Rudi Marhold (Schlagzeug), Markus Paßlick (Percussion), Altfrid Maria Sicking (Vibrafon, Xylofon, Trompete), Alsmann am Klavier, mit Akkordeon oder Mini-Gitarre.

Und dazwischen erzählt Alsmann Geschichten in Hörbuch-Manier mit dieser betörenden Mischung aus selbstironischer Lässigkeit und bewusst übertriebener Dramatik, in einem atemberaubenden Tempo, mit intelligentem Wortwitz, was dem Publikum Konzentration abverlangt. Über die Hölle für Jazz-Musiker zum Beispiel, in der "Schnappi, das kleine Krokodil" gespielt werden muss, oder über seine Karriere im Wilden Westen, die in dem Stan-Jones-Cover "Geisterreiter" mündet.

Die Einflüsse in seinen Jazz-Schlagern sind wahnsinnig vielfältig: Auf das orientalische Instrumentalstück "Misirlou" folgt die Cha-Cha-Cha-Fassung vom "Glückswalzer" oder die Rumba "Hätt' ich nur dich". Selbst Udo Jürgens "17 Jahr, blondes Haar" lässt sich verjazzen, und beim Ska-Gesang bei "Weit weg von hier" heißt es wieder Luftholen.

Bei dieser Band wirkt alles wie locker aus dem Handgelenk geschüttelt, selbst wenn Sicking mit vier Schlägeln sein Xylofon bedient. Für die beeindruckende Klangvielfalt ist Paßlick zuständig, der bei fast jedem Lied ein neues exotisches Klanggerät hervorzaubert - Schellenkranz, Udu-Trommel oder Tonkrug, mit dem Vogelgezwitscher imitiert werden kann, die sogenannte "Ochtruper Nachtigall". Als er diese kurz erklären soll, verstrickt er sich in eine wunderbare Comedy-Einlage und stiehlt Alsmann für einige Minuten die Schau. Paßlicks wirre Geschichte über Mozart, der auf dem Weg von Weimar nach Italien (Goethe) in Bitburg pausierte, das Bierrezept erfand, dann seine Musik nicht mehr hören konnte (Beethoven) und sich ein Ohr abschnitt (van Gogh), bringt die Zuschauer zum Grölen.

Nach vier Zugaben am Ende eines Konzerts plus Kabarett verabschiedet sich der Entertainer in typischer Alsmann-Manier (einen Moment bitte, noch grad Brille und Krawattenknoten zurechtrücken) mit einem lasziven Luftkuss ins Publikum.

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