Auf Augenhöhe mit Mozart

Prag/Luxemburg · Einen Kunst-Schatz auszugraben, der Menschen zuletzt vor mehr als zwei Jahrhunderten zugänglich war: Das ist so spannend wie ein Krimi. Das Grand Théâtre Luxemburg bringt in einer internationalen Koproduktion mit drei anderen Häusern die Oper "L\'Olimpiade" von Josef Myslivecek heraus. Premiere war dieser Tage in Prag.

 Eine Bühne, auf der Bäume sprießen, Männer, die Schicksal spielen, Frauen, die ihren eigenen Willen durchsetzen wollen: Impression aus der Prager Aufführung von „L'Olimpiade". Foto: Hana Smejkalova

Eine Bühne, auf der Bäume sprießen, Männer, die Schicksal spielen, Frauen, die ihren eigenen Willen durchsetzen wollen: Impression aus der Prager Aufführung von „L'Olimpiade". Foto: Hana Smejkalova

Prag/Luxemburg. Was für eine Lebensgeschichte: Josef Myslivecek war im 18. Jahrhundert einer der größten und erfolgreichsten Opernkomponisten Europas, Bekannter und Zeitgenosse Mozarts, reich und gefeiert, vor allem in seiner Wahlheimat Italien. Und dann die Tragödie: Er erkrankt an Syphilis, siecht vor sich hin, muss sich die Nase amputieren lassen, stirbt verarmt im Alter von 44 Jahren und gerät danach völlig in Vergessenheit.
Zu Unrecht, wie ein ambitioniertes europäisches Projekt beweist, das Anfang Mai in Mysliveceks Geburtsstadt Prag gestartet wurde. Ein Ort, wie er kaum besser gewählt sein könnte: Im toll aufgehübschten historischen Ständetheater, wo Mozart einst seinen "Don Giovanni" uraufführte, gehört die Bühne nun Myslivecek, dessen "Olimpiade" sich durchaus auf Augenhöhe mit vielen Mozart-Opern bewegt.
Es ist ein Kraftakt, denn die ariengespickte Verwechslungsgeschichte am Rand der antiken Olympischen Spiele braucht gleich sieben exzellente Solisten und ein vorzügliches Orchester. Deshalb hat man die französischen Theater Caen und Dijon sowie das Grand Théâtre Luxemburg mit ins Boot geholt. Eine Produktion auf der Achterbahn, wie sich der luxemburgische Chefkoordinator Tom Leick-Burns erinnert, etliche Male auf der Kippe, aber immer wieder gerettet - nicht zuletzt durch den Entdecker-Ehrgeiz von Dirigent Vaclav Luks, dessen Collegium 1704 zu den weltbesten Klangkörpern in Sachen "Alte Musik" gerechnet werden muss.
Vor allem aber hat man es geschafft, Ursel Herrmann wieder einmal an die Oper zu locken, jene Regisseurin, die gemeinsam mit ihrem Mann Karl-Ernst in den 1990er Jahren von Brüssel bis Salzburg Maßstäbe in Sachen Poesie, Bildersprache und Raumgestaltung setzte. Die Herrmanns, inzwischen über siebzig, haben sich rar gemacht, aber jede Szene der "Olimpiade" atmet den Geist ihrer großen Mozart-Interpretationen. Sorgfältig gearbeitete Bilder, Bewegungen mit Sinn, genau abgestimmte Choreographien. Melancholie und Ernst, auch da, wo die Handlung Raum für die Komödie lässt.
Meisterhafte Gefühlsräume


Mit dem Österreicher Hartmut Schörghofer ist ein Bühnenbildner hinzugekommen, der meisterhaft versteht, Gefühlsräume zu schaffen. In diesem Fall ist das ein scheinbar abgeschlossenes Karree, das in einen langen, lichtgefluteten Gang mündet. Aber die Wände entpuppen sich als durchlässig, erlauben den Protagonisten, hinein- und hinauszuschlüpfen. Und nicht nur ihnen, sondern auch den vier Schicksalshütern, die, Erfindung der Regie, die Handlung unentwegt begleiten.
Ursel Herrmann nimmt ihre Figuren ernst, auch wenn die Handlung sie auf kuriose Bahnen schickt. Es geht um einen König, der seine Tochter als Preis für den Sieger der Olympischen Spiele auslobt, um einen Helden, der unter dem falschen Namen eines Freundes gewinnt, um ein paar kreuz und quer laufende Liebesgeschichten, um Kummer und Hoffnung.
Die Musik kann ihre zeitliche Nähe zu Mozart nicht leugnen, ist farbenreich und spannungsgeladen, allerdings äußerst schwierig zu singen. In Prag holte sich das Solistenensemble um die Mezzosopranistin Simona Houda-Saturova und die Sopranistin Sophie Harmsen ausgiebige Ovationen - in Luxemburg dürfte das ähnlich sein, denn die komplette Truppe ist wieder dabei.
Vorstellungen am 4. und 5. Juni, jeweils um 20 Uhr. Karten: www.luxembourg-ticket.lu

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