Auf der Orgel spielt der Frust mit

SCHWEICH. Musik soll im katholischen Gottesdienst einen zentralen Platz einnehmen. So dekretieren es Papst und Kardinäle. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Frühmesse. Die Organistin erscheint pünktlich in der Sakristei. Der Pfarrer taucht im letzten Moment auf, drückt ihr den Liederzettel in die Hand und eilt zum Altar. Die Organistin hat den längeren Weg, sprintet auf die Empore, kommt trotzdem zu spät, und in der Gemeinde festigt sich der Verdacht: Die hat mal wieder verschlafen. Diese wahre Begebenheit zeigt: Die Beziehung zwischen Pfarrer und Kirchenmusiker ist labil und kann im Extremfall zum offenen Mobbing ausarten. Solche Schwierigkeiten sind nicht selten. Auf vielen Orgelemporen musiziert der Frust mit. Der "Zentralverband der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einrichtungen der katholischen Kirche Deutschlands" hatte das Thema zum Zentrum seiner Jahrestagung in Schweich gemacht. Referent Wolfgang Seifen, ehemals Organist an der Wallfahrtskirche Kevelaer und jetzt Professor in Berlin, kam dabei schnell und präzise zur Sache. Das Konzil weist Liturgie und Kirchenmusik eine zentrale Stellung zu. Die Realität sieht anders aus. Geistliche, die in der Liturgie nur unzureichend ausgebildet wurden, neigen dazu, Kirchenmusik als Nebensache anzusehen. Für manche Gläubige ist sie ohnehin nicht mehr als akustische Untermalung. Manchmal kommt noch zeittypischer Populismus dazu. Dann ergeben sich Auswüchse wie ein Karnevalsgottesdienst mit Pappnase bei der Predigt. Da hat ernsthafte Kirchenmusik keinen Platz mehr.Das Ziel kollidiert mit dem Zeitgeist

Die Alternative kann nach Überzeugung des Referenten kein Rückgriff aufs Hergebrachte sein, sondern eine offensive Erneuerung der Liturgie. Liturgie und Musik müssen auf höchstem Niveau für beides da sein: Gott verherrlichen und die aktive innere Teilnahme am Gottesdienst fördern. Und in der theologischen Ausbildung müssen, so Wolfgang Seifen, Liturgie und Kirchenmusik einen zentralen Platz einnehmen. Freilich ist Trier darin unter den deutschen Diözesen Schlusslicht. Die anschließende Diskussion zeigte außerdem: Das hohe Ziel kollidiert mit dem Zeitgeist. So machten die Teilnehmer fast einhellig schwindendes Interesse an Liturgie aus. Die Pfarrer können sich dem allgemeinen Trend zur Beliebigkeit schwer entziehen. Ein Geistlicher reichte die Kritik umgehend an den zuständigen Pfarrgemeinderat weiter. Tatsächlich scheinen die Eigenmächtigkeiten solcher Gremien in dem Maße zuzunehmen, in dem das Interesse an guter Kirchenmusik sinkt. Das war jedenfalls leidvolle Erfahrung mehrerer Diskussionsteilnehmer. Unter solchen Umständen liegt die berüchtigte Mobbingspirale von Missachtung, sinkender Leistung, verstärkter Missachtung und innerer Kündigung gefährlich nahe. Aber es gab auch die positiven Beispiele: Pfarrer und Gemeinderäte, die Musik lieben und den Musiker unterstützen. Wenn zwischen Geistlichkeit, Kirchenmusikern und Gläubigen in dieser Sache Einvernehmen herrscht, hat ein moderner hochrangiger Gottesdienst eine Chance. Dann verbindet sich Traditionsfundierung mit dem wachen Blick fürs Zeitgerechte. So soll Kirche sein. Neben solchen Grundsatzproblemen wurde in Schweich auch anderes beklagt. So kritisierten Kirchenmusiker die interne Informationspolitik der Trierer Bistumsleitung. Auf die grundlegende Neuordnung der kirchlichen Zusatzversorgung seien sie nur durch Zufall aufmerksam geworden. Auf interne Kritik stieß auch, dass das Bistum sich in der Kirchenmusik angeblich aus der Fläche zurückzieht, aber zugleich im Dom mit einem "Kantor" eine weitere gut dotierte Stelle einrichtet. Ein Organist: "Der liebe Gott oben ist auf unserer Seite, nur die Instanzen dazwischen sind unser Problem."

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