Auf der Suche nach einem klaren Gottesbild: Deutscher Integrationshelfer konvertiert mit Anfang 20 zum Islam
Wesseling · Seine Eltern sind Protestanten, er selbst hat sich als junger Mann für den Islam entschieden. Weil er den Islam für die „einfachste und verständlichste“ aller Religionen hält, sagt Harald Dieter Schmidt, heute Harald Dieter Abdul Hadi Schmidt-El Khaldi. Ein Gespräch mit einem Konvertiten.
Als er konfirmiert werden soll, weigert sich der Sohn einer Krankenschwester und eines Sozialarbeiters: Bevor er sich für eine Religion entscheide, wolle er sich erst über alle informieren. Heute, 30 Jahre später, ist er sich sicher: "Der Islam ist die verständlichste, ehrlichste und einfachste aller Religionen."
Mit Anfang 20 spricht Harald Dieter Schmidt die Glaubensformel vor zwei männlichen Zeugen ein zweites Mal: "Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Allah, und dass Mohammed sein Gesandter ist." Seitdem ist der Deutsche Muslim.
Warum er konvertiert ist? "Weil der Islam der reinere Monotheismus ist", sagt der 46-Jährige. Es gebe keine umständlichen theologischen Konstruktionen wie die Dreifaltigkeit, keine haarspalterischen Debatten über die Natur Jesu als "wahrer Sohn und Mensch zugleich". Und vor allem keine Kreuzigung, keine Auferstehung, keine Erlösung. Dass Gott seinen Sohn opfert, um uns zu erlösen, habe ihm nie eingeleuchtet. Im Koran sei alles einfacher: Mohammed war ein Mensch. Punkt. Aus.
Ob viele Konvertiten so denken wie der Mann aus Wesseling bei Köln, ist unklar. Denn die Frage, wer in Deutschland zum Islam übertritt, wurde bisher nicht umfassend untersucht. Schätzungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zufolge leben zurzeit zwischen 13?000 und 100?000 Konvertiten in Deutschland.
Im Unterschied zu christlichen Kirchen dokumentierten Moscheen und Verbände Konversionen selten schriftlich. Das macht es für muslimische Gemeinden quasi unmöglich, eine Statistik zu führen. Nach Berechnungen des Islam-Archivs in Soest konvertieren 1000 bis 4000 Deutsche pro Jahr zum Islam. Doch die Zahlen seien nicht seriös, sagen Experten.
Auch Harald Dieter Schmidt verzichtet nach seiner Konversion auf Bürokratie. Schließlich ist er verliebt. 1990 bricht er mit einer Muslima aus Simbabwe in die Ferne auf, lernt Arabisch, macht sich mit fremdartiger Musik vertraut. Drei Jahre später kehrt er mit Frau und Kind aus Afrika zurück und beschließt, moderne Sprachen und muslimische Theologie zu studieren. Als er in zweiter Ehe eine Marokkanerin heiratet, ändert er seinen Namen: Aus Harald Dieter Schmidt wird Harald Dieter Abdul Hadi Schmidt-El Khaldi. Die Ehe scheitert. Der deutsch-arabische Name bleibt.
Heute lebt der Konvertit, der als Integrationshelfer in Bonner Schulen arbeitet, wieder in Wesseling - unter einem Dach mit seinen protestantischen Eltern und drei seiner vier Kinder. Ihnen erklärt er gerne, dass sie Religion wie Kunst betrachten sollten: "Entweder sie gefällt. Oder nicht." Das ist sein Motto. In die Moschee geht Schmidt-El Khaldi selten. Wichtiger sei ihm der monatliche Austausch mit Gemeindemitgliedern in Köln. Dass die Treffen in Räumen der evangelischen Lutherkirche stattfinden, sei ein Zeichen für gelebte Integration.
Die Angst vieler Deutscher vor dem Islam hält Schmidt-El Khaldi für hausgemacht: "Viele Menschen werfen zu viele Dinge in einen Topf: Es ist wichtig, zwischen Religion, Kultur, Politik und Terrorismus zu unterscheiden." Bei den Attentätern von Paris ist sich der deutsche Muslim sicher: "Das waren Deppen, die meine Religion missbraucht haben."
Autorin Jasmin Buck ist Redakteurin der Rheinischen Post. In der Serie "Glaube und Gewalt" wird der Trierische Volksfreund in den nächsten Wochen weitere Essays, Berichte und Reportagen zu diesem Thema veröffentlichen.
Extra
Der Islam versteht unter Gottesdienst Unterordnung und Ergebung an Gott. Das islamische Ritualgebet findet fünfmal täglich statt. Ziel ist es, sich der Gegenwart Gottes bewusst zu werden und Gottes Wohlgefallen zu erlangen. Auch Fasten oder die Armenabgabe sind Gottesdienste.
Für strenggläubige Muslime ist das Freitagsgebet für Männer verpflichtend und wird gemeinschaftlich in der Moschee gehalten. Anders als bei Ritualgebeten an anderen Tagen umfasst das Freitagsgebet auch eine Predigt. In traditionellen islamischen Gemeinschaften nehmen Frauen nur ausnahmsweise am Freitagsgebet teil. red