Auf der Suche nach einem sicheren Ort

Trier · Mit einem ergreifenden Auftakt hat Hannah Mas Tanzprojekt in der Kunsthalle der Europäischen Kunstakademie (EKA) begonnen. Zur Premiere war auch eine Gruppe Flüchtlinge aus Trier gekommen.

 Szene aus dem Tanzprojekt „H.E.R.O.E.S. for just one day“ mit Hannah Ma (vorn) und Ranim al Malat. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Szene aus dem Tanzprojekt „H.E.R.O.E.S. for just one day“ mit Hannah Ma (vorn) und Ranim al Malat. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Foto: Eva-Maria Reuther (er) ("TV-Upload Reuther"

Trier. Erst einmal ist da nur eine formlose Masse auf dem Boden, im Dunkeln eher geahnt als gesehen. Aus der Ecke klingen die feinen Töne einer Oud, der arabischen Laute. Dann bringt das heller werdende Licht es an den Tag. Was da regungslos liegt, ist ein enger Kreis schlafender Menschen, deren Rücken sie gegen die Welt abschotten.
Plötzlich kommt Bewegung in das Bild. Zuckend reckt sich ein Körper nach oben, bewegt Hände und Finger, wie um zu prüfen, ob sie noch lebten. Die anderen folgen, bis sich das Rund in eine Gruppe aus drei Frauen und Männern aufgelöst hat, die sich aufmachen, einander als Paar zu suchen. Ein Kreislauf aus zärtlicher Zuneigung, Aggression und neuerlicher Annährung beginnt.
Auf der Suche nach den Wurzeln des Krieges im Wesen der menschlichen Natur hat Hannah Ma das große alte Thema von Nähe und Entfremdung, Liebe und Gewalt in ihrem eindringlichen Tanztheaterstück "H.E.R.O.E.S. for just one day" inszeniert. Das Projekt der bei Trier lebenden Choreographin ist ein mehrjähriges Bildungsprojekt, das die Künstlerin gemeinsam mit dem syrischen Tänzer Maher Abdul Moaty initiiert hat und über das ein deutsch-arabisches interkulturelles Netzwerk aufgebaut werden soll.
Gründe für Hannah Mas Projekt gibt es wahrlich genug. "So lange ihr glaubt, dass man Kriege gewinnen kann, wird es Kriege geben", steht hellsichtig wie warnend auf einem der Programmblätter. Einer der aktuellen Anlässe für die deutsch-chinesische Choreographin, das Thema tänzerisch anzugehen, sind die gewaltsamen Konflikte im Nahen Osten, nur ein Beispiel nie endender Gewalt und kriegerischer Auseinandersetzungen überall auf der Welt. Nicht zuletzt sind sie Ursache des unfassbaren Flüchtlingselends dieser Zeit.
Zur Premiere in der EKA hat Hannah Ma als Bühne einen ebenso intimen wie bedrängenden Raum voller Symbolik geschaffen. Er wird begrenzt von einer mit Graffiti bemalte Mauer. Darauf steht in arabischen Schriftzeichen das Wort "Leben". Ein "work in progress" über Menschen auf der Flucht ist das Mauerbild. "Sie suchen einen Ort" schreibt eine junge schwangere Frau später darauf und fügt an: "Sie rennen und rennen."
Und noch etwas später werden die Tänzer die Umrisse ihrer Hände und Köpfe dazuzeichnen. Mit ergreifender Dringlichkeit veräußern die tanzenden Körper, was ihre Seele bedrängt und erfüllt. Zärtlichkeit, Schutzsuche, Gewalt und Verzweiflung werden zu Geste und Bewegung, zuweilen verstärkt durch grelle Flashs und brutale Klänge (Technik: Thorsten Müller) oder begleitet von Haitham Habeebs vielfarbiger Oud.
Unbeugsam und eindrucksvoll: Maher Abdul Moaty mit stolzem Blick, zärtlicher Hingabe und erbittertem Zorn. Anrührend und ganz von innen heraus kommen auch die Bewegungen von Ranim al Malat. Die junge Syrerin ist gerade sechs Monate in Deutschland. "Ich tanze, was in mir vorgeht", sagt die junge Frau und deutet auf ihre Brust. Bewegt ist auch ganz offensichtlich die Gruppe der Flüchtlinge, die als Gäste die Performance anschauen. Anhaltender Applaus der über 50 ergriffenen Zuschauer. Neben Moaty, Malat, Ma und Habeeb wirkten mit: Jill Crovisier, Loic Faquet, Simone Mousset und Jorge Soler. er

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