Aufbruch zu neuen Ufern

TRIER. "Theater bewegt" steht auf dem Programmheft des Theaters Trier. Zutreffend wäre diese Aussage auch mit dem Zusatz "sich". Denn bei der hausinternen Eröffnung der beginnenden Spielzeit, die unter dem Motto "Theatervisionen!" steht, begrüßte Intendant Gerhard Weber 24 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Mit vielen neuen Gesichtern hinter und auf der Bühne startet das Theater Trier in seine kommende Spielzeit. Nicht nur personelle Veränderungen, sondern vor allem das aktuelle Motto "Theatervisionen!", sollen das erklärte Ziel der dritten Ära unter Intendant Gerhard Weber untermauern: "...mit dem Ensemble und den Zuschauern immer wieder zu neuen Ufern aufzubrechen". "Stachel in unserem Fleisch"

Die scheinen beim ersten Blick auf den Spielplan nicht ganz so neu, denn darauf stehen zum Beispiel Mozarts "Entführung aus dem Serail" oder Brechts "Dreigroschenoper". Ja, an dem Motto "Theatervisionen" könne man angesichts 250 Jahre alter oder sattsam bekannter Stücke zweifeln, leitete Gerhard Weber denn auch die Gedanken ein, die er dem Ensemble zum Beginn der neuen Spielzeit mit auf den Weg gab. Tatsächlich sei es sogar so, dass einige der Werke desillusionierend endeten, zum Beispiel Max Frischs "Andorra". "Aber damit sind sie Stachel in unserem Fleisch", sagte Weber und hob so auf die Bedeutung ab, die seiner Meinung nach Theater zukünftig habe: "Als soziales und gemeinschaftliches Medium wird es zunehmend eine wichtige Rolle in der Vermittlung von Werten einnehmen." Denn ein Bewusstseinswandel sei nötig und aus materiellen Gründen unumgänglich. Zerstörung des Lebensraums, eine tiefe Kluft zwischen Arm und Reich, demografisches Ungleichgewicht, Vertrauensverlust und Egoismus präge die Entwicklung der Gesellschaft. Kennzeichen dafür seien Identitätsproblematik, Ruhelosigkeit und die Erfahrung der Leere, aus der sich betäubende Kulte, wie die Vergötterung des Körpers oder die Anbetung von medial hochgespülten Prominenten ("Ichlingen") entwickelt hätten. Theater erfahre durch die Massenkultur Konkurrenz, habe aber eine Chance, denn von den alten Lebensprinzipien der Spaßgesellschaft müsse bald mit einem neuen Konsens kultureller Identität Abschied genommen werden. "Wir als Theater können ein wichtiger Partner in diesem Prozess hin zu einem Verständnis von Leben als sinnerfülltes Tun sein", sagte Weber, "wir sind aufgefordert, den sozialen Appell zu verstärken und ein Bild der Wahrhaftigkeit, der Genauigkeit und der Utopie zu zeichnen." So, wie die "klassischen" Werke aus dem Spielplan, die teils noch nach 250 Jahren gültig seien - visionär eben. Mit großem Applaus bedachte das Ensemble vor allem das Schlusswort seines Intendanten: "Zur Masse gehört immer einer mehr, als man denkt. Dieser Eine sollte jeder sein! (Arno Geiger)."

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