Aufgeschlagen - neue Bücher

Joachim Meyerhoff hat den Durchbruch als Schauspieler und Autor längst geschafft. Seit einem Jahrzehnt gehört der heute 48-Jährige zum Ensemble des Wiener Burgtheaters, war schon "Schauspieler des Jahres’’ und heimste für seine ersten literarischen Versuche viel Lob und Preise ein.

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Foto: (g_kultur

Dabei sah es zu Beginn seiner Karriere nicht danach aus, dass dieser junge Mann zur Schauspielerei taugen könnte - zu wenig begabt und selbstbewusst erschien das Arzt-Söhnchen seinen Lehrern an der renommierten Otto-Falckenberg-Schaupielschule in München. Seine Ausbildung dort als Anfang-20-Jähriger schildert Meyerhoff in seinem jüngsten Roman - dem dritten Teil seiner Autobiografie "Alle Toten fliegen hoch''. In München, 1989 bis 1992, führte Meyerhoff ein Doppelleben. Er quartierte sich in der Villa seiner kultivierten Großeltern ein, einer ehemaligen Schauspiellehrerin und einem Philosophieprofessor, nahm teil an deren höchst skurrilem, in Ritualen und alkoholischen Mahlzeiten erstarrtem Leben und genoss deren Hort der Beständigkeit, derweil er an der Schule in permanenter Überforderung versuchte, wie ein Nilpferd zu watscheln oder "mit den Brustwarzen zu lächeln''. Ständig hatte der junge Mann das Gefühl, neben sich selbst zu stehen und den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Aus diesem Leben, das etwas aus der Zeit gefallen schien, hat er brüllend komische - und auch tragische - Momente festgehalten, die sein Buch so lesenswert machen. Meyerhoff hat ein phänomenal gutes Gedächtnis - oder er schmückt seine Vergangenheit so fantastisch aus, dass die Pointen das Erlebte noch übertreffen. Der Roman besteht im Grunde aus episch miteinander verbundenen Szenen, fein ausgeleuchtet. Da sind die Großeltern, die 30 Jahre alte Marmeladen aufheben, Mindesthaltbarkeitsdaten für Mumpitz erachten und Vögel mit Nüssen aus dem Feinkostladen füttern. Und da sind die Darsteller der Bühnenwelt, eitel oft und keineswegs größeren Zielen zugetan als ihrem Ego. Und weil der Blick bei allem Humor so wertschätzend ist, so liebevoll, und er auch sich selbst nicht schont, ist man Meyerhoff dankbar für seine Offenbarungen. Anne Heucher Joachim Meyerhoff, "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke", Verlag Kiepenheuer & Witsch, 348 Seiten, 21,99 Euro

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