Bei der Übergabe in einem Pariser Café gibt dieser sich dann als Journalist aus, der bei der Recherche eines Kriminalfalls nach einem Mann sucht, dessen Name im Adressbuch verzeichnet ist. Es geht um einen lange zurückliegenden Mord. Daragane soll wichtige Hinweise geben können. Doch der kann sich nicht erinnern, den Namen aus seinem Adressbuch je gehört zu haben. Für einen Krimi ist die folgende Spurensuche sicherlich zu fad. Der Mord liegt Jahrzehnte zurück - die Tat selbst bleibt völlig vage, weder Opfer noch Täter noch ein Motiv kommen ans Licht. Doch die Handlung ist Nebensache. Daragane reagiert auf die Konfrontation mit seiner Kindheit misstrauisch, abwehrend und mit völliger Amnesie. Er fühlt sich bedroht. Der einsam gewordene Schriftsteller erinnert sich nicht einmal mehr an den Inhalt seines ersten Romans. Es sind Orte in Paris, Cafés, Straßenzüge und Namen, die Erinnerungen wecken - erst flüchtige Momente, wie Schatten, Bilder, Gefühle, dann Geschichten. Die Orte und Gegenstände bewahren die Erinnerung gleichsam auf, haben magische Kraft. Dabei wechselt die Zeit ständig - wir sind etwa im Jahr 2010, dann um 1950, am Anfang der 1980er Jahre und dann wieder heute. Erinnerung, die sich vorarbeitet, um schließlich dahin zu gelangen, wo sie es zunächst am wenigsten wollte: bei einem traumatischen Abschied. So flüchtig und nebulös wie jahrzehntealte Kindheitserlebnisse stellt Mondiano auch Daraganes Erinnerung dar - in höchst einfacher Sprache. Es sind Fragmente. Dabei werden viele Themen angerissen, die dann aber wieder in der Versenkung verschwinden. Ein melancholisches Buch. Annemarie Heucher Patrick Mondiano, "Damit du dich im Viertel nicht verirrst", Roman, Carl Hanser Verlag 2015, 160 Seiten, 18,90 Euro