Aufgeschlagen - Neue Bücher

Mord und Totschlag in Frankreich nehmen in besorgniserregender Weise zu, jedenfalls aus deutscher Perspektive. Und das Grauen passiert meist in den schönsten Ecken unseres Nachbarlandes - in der Bretagne etwa (Kommissar Dupin, Jean-Luc Bannalec), in der Camargue (Capitaine Roger Blanc, Cay Rademacher), an der Côte d’Azur (Kommissar Duval, Christine Cazon) oder jetzt auch, noch etwas grenznäher, in der Normandie.

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Foto: (g_kultur

Dort ermittelt zum ersten Mal Kommissar Jacques Leblanc, den Catherine Simon von Paris ins malerische Deauville versetzt hat. Doch man lasse sich von den teils französisch klingenden Namen der Autoren nicht täuschen: Hinter manchem Pseudonym verbirgt sich ein Deutscher, der sein Herz an die jeweilige Region verloren hat und sich mordsmäßig gern an sie erinnert. Der Neueste im Bunde ist nun Jacques Leblanc, und, nein, Catherine Simon ist keine Französin, sondern sie arbeitet unter ihrem richtigen Namen Sabine Grimkowski beim SWR in der Literaturredaktion. Vielleicht hätte sie sich damit begnügen sollen, denn schriftstellerisches Talent sucht man in ihrem Roman "Kein Tag für Jakobsmuscheln" vergeblich. Der erste Mord ist gar keiner, aber das erfährt man erst auf Seite 177, als der Roman sich schon dem Ende zuneigt, und der Mörder des zweiten Opfers ist ein reiner Zufallstäter und wird, ein Diabolus ex machina, kurz auf Seite 252 vorgestellt. Eine Seite später ist der Roman zu Ende. Es geht irgendwie um Fischfang und leere Meere, und ein paar Schwule tauchen ebenfalls auf. Der Plot, der ziemlich ziellos zwischen Deauville, Trouville und Le Havre mäandert, ist so lose zusammengehäkelt, dass sich die Fäden auf den breiten normannischen Sandstränden hoffnungslos verlieren. Hinzu kommt, dass die Figuren viele Dialoge nur deshalb führen, um den Leser irgendwie auf den neuesten Stand zu bringen oder ihn mit den Besonderheiten der Region bekanntzumachen, was jeder Touristenführer besser kann. Dazu nennt der Kommissar seine folgsame Assistentin Nadine beharrlich "meine Kleine" und duzt sie natürlich, während "die Kleine" stets von "Spusi" spricht, wenn sie die Spurensicherung meint, was sie wohl aus einem deutschen "Tatort" entlehnt hat. Der erste Fall für Kommissar Leblanc macht jedenfalls nicht besonders neugierig auf einen eventuellen zweiten. Aber es kann ja nur besser werden ... Rainer Nolden Catherine Simon, "Kein Tag für Jakobsmuscheln", Goldmann Verlag, 256 Seiten, 8,99 Euro

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