Aufpolierte Dadaisten, begehrte Dramatiker und verlegte Vielschreiber

Goethe bleibt die Galionsfigur der deutschen Kultur im Ausland: In der "Nacht der langen Messer" im Haushaltsausschuss wurde die Acht-Millionen-Euro-Kürzung für die weltweit 136 Goethe-Institute aus Mitteln der Sprachförderung wieder ausgeglichen. Die Institute hatten in den letzten Jahren bereits deutliche Budget-Kürzungen wegstecken müssen.

Das Außenministerium wollte die Verwaltungskosten der Organisation bis 2014 einfrieren - auch das kippte der Ausschuss parteiübergreifend.

Über parteiübergreifende Unterstützung würde sich auch das Remagener Arp-Museum freuen, war es doch lange Jahre Gegenstand heftiger Querelen zwischen SPD-Regierung und CDU-Opposition in Rheinland-Pfalz. Die derzeitige Ruhe an der Streit-Front nutzt das Museum, um seine Arp-Sammlung frisch aufzupolieren. Seit gestern werden 100 Papierarbeiten, Reliefs und Plastiken des Dada-Künstlers und Avantgardisten in einer neuen Schau präsentiert.

Zur aktuellen deutschen Autoren-Avantgarde gehört fraglos Roland Schimmelpfennig. Kein lebender Dramatiker wird so oft aufgeführt, keiner entzückt wie er Kritik und Publikum gleichermaßen. Sein neues Stück "Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes" feiert heute Abend im Deutschen Theater Berlin Premiere, natürlich mit Star-Besetzung wie Sophie von Kessel, Ulrich Matthes und Maren Eggert. Gleich morgen zieht das Hamburger Thalia-Theater nach, im Dezember folgt Wien. Es geht um zwei Paare, die beim Abendessen über Moral und Verantwortung diskutieren. Klingt schrecklich, aber bei Schimmelpfennig kann sowas durchaus kurzweilig werden.

Letzteres Attribut würde man Heinrich Böll nicht unbedingt verleihen. Die Arbeit des Literaturnobelpreisträgers stammt aus jenen goldenen Zeiten, in denen der Begriff "Gutmensch" noch kein Schimpfwort war und "Vergangenheitsbewältigung" noch nicht in Form von Fernsehshows namens "Die größten Deutschen" betrieben wurde.

Bölls gesammelte Schriften liegen nun als 27-bändige Werksausgabe bei Kiepenheuer& Witsch vor - samt unveröffentlichtem Material. Die Präsentation besorgte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) - ein Fortschritt gegenüber den 70ern, als CDU-Politiker Böll einen RAF-Sympathisanten schimpften.

Als Mutter der Terroristin Gudrun Ensslin ist die Schauspielerin Susanne Lothar demnächst in dem Film "Wer, wenn nicht wir" zu sehen. Die Wahl-Berlinerin gilt vom Burgtheater bis zum Tatort als eine der besten Charakterdarstellerinnen deutscher Sprache - und Spezialistin für schwierigste Figuren. Vor 21 Jahren wurde sie mit einer radikalen Hamburger "Lulu" bekannt, oft spielte sie mit ihrem Mann Ulrich Mühe. Diese Woche ist sie 50 geworden.

Leo Tolstoi war 82, als er am 20 November 1910 starb. Ein grandioser Schriftsteller ("Anna Karenina", "Krieg und Frieden"), radikaler Reformpädagoge und mutiger Kritiker der politischen und kirchlichen Obrigkeit. Der adlige Graf verbrachte seinen Lebensabend als einfacher Bauer. Was er wohl am 100 Todestag zu Putin-Land sagen würde? Dieter Lintz

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