Aufruf zum Widerstand

TRIER. Architektur zwischen Vision und menschlicher Erfahrung. Alois Peitz sprach im Rahmen der Architekturreihe in der Trierer Stadtbücherei.

 Bekenntnis zur Architektur des Geistes: Alois Peitz.Foto: TV -Archiv/Eva-Maria Reuther

Bekenntnis zur Architektur des Geistes: Alois Peitz.Foto: TV -Archiv/Eva-Maria Reuther

Der Mensch träumt, was er weiß. Wo käme das besser zum Ausdruck als in der Architektur. Gerade sie belegt, dass Träume und Visionen am Ende nichts sind als Sehnsüchte, Befreiungsversuche oder Aufrufe zum Widerstand gegen das, was eingefahren und erlernt ist oder als "normal" gilt. Einer, der zeitlebens an der architektonischen Vision und damit an der Veränderbarkeit der Welt hin zum Besseren festgehalten hat, ist der Trierer Architekt Alois Peitz. Dass es möglich ist, die Erde mittels Architektur in einen "sinnvollen Ort" zu verwandeln, daran hat der Fachhochschulprofessor und ehemalige Bischöfliche Baumeister immer geglaubt. In Zeiten, da Baukultur sich vielerorts zur gewinnorientierten, konsumträchtigen Unkultur verbildet hat, ist Peitz‘ Anspruch aktueller denn je. In der Trierer Stadtbücherei stellte der Architekt einmal mehr dar, wie sich Architektur-Visionen im Laufe der Geschichte gewandelt haben und wie sehr die Träume vom Bauen jeweils Antworten sind auf Philosophie und Religion, auf Zeitgeist und Erfahrung. Freiheit für alle durch die BaukunstHatte noch der mittelalterliche Mensch seine Idealstadt auf die Vorstellung vom himmlischen Jerusalem gebaut, so wollten sich Renaissance und Aufklärung lieber auf die eigene Kraft verlassen. Sie suchten ihr architektonisches Heil in der Geometrie. Um die Architektur als Heilsidee ging es schon damals bei der Frage nach dem idealen Bau. Ein Jahrhundert später löste der Barock die strenge Form und kaschierte die eigene Innerlichkeit durch ausufernden, bisweilen chaotischen Überschwang. In den Dienst des Sozialen stellte sich die Architektur des 20. Jahrhunderts. Einem neuen Menschen sollte die Baukunst dienen. Der "utopische Sozialismus" eines Adolf Loos baute sich seine eigene Gottesstadt, in der alle Menschen mittels Baukunst in Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit leben sollten. Zurück auf den Boden kam die Architektur des Bauhauses mit ihrem Bemühen um eine verträgliche Mischung aus Vision, Alltagsbedarf und Materialgerechtigkeit. Immer waren Architektur-Visionen indes auch mit menschlichem Hochmut und Überheblichkeit verbunden. Einst war es der Turm von Babel, heute künde mancher Wolkenkratzer von menschlicher Hybris. Dennoch: "Ohne Vision geht es nicht", weiß Peitz, der auch für Trier eine zukunftsträchtige Stadtvision auf der Grundlage der gebauten Tradition fordert. Überhaupt: Peitz setzt auf den geistigen Ansatz in der Architektur und auf wache Sinne. So hat er denn auch sein Buch "Zwischen Himmel und Höhle" abgefasst. Der schöne Band ist eine Art Philosophie der Architektur mit angewandten Beispielen. Peitz legt darin dar, was es auf sich hat mit dem Himmelhochjauchzenden in der Architektur und mit dem Bau, in dem der Mensch wie in einer Höhle sitzt, geschützt vor den Unbilden der Welt. Dass a uch Architektur sinnvoll mit der Zeit gehen kann, wenn sie angemessen verändert wird, ist ein weiteres aktuelles The- ma dieses Buches, das am Beispiel von St. Maximin in Trier eindrucksvoll behandelt wird. Peitz‘ Buch ist etwas für Leser, die auf das Geistige in der Architektur setzen und dennoch daran festhalten, dass Bauen auch immer eine Dienstleistung bleiben muss, die sich nach menschlichen Bedürfnissen zu richten hat und Landschaften zum Vorteil, nicht zur Verwertungsmasse macht. Wie sehr Peitz mit seinem Bekenntnis zur Architektur des Geistes und zum Geistigen in der Architektur kulturelle Werte und kulturelles Erbe gefördert hat, wird einmal mehr in diesen Tagen deutlich. Am 7. Mai vergibt das Trier Forum erstmals einen Architekturpreis für das Bemühen um sinnvolle Stadt-Entwicklung. Preisträger: Alois Peitz.

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