Theater Eitle Götter, verlorene Menschen - Christina Gegenbauer inszeniert in Trier Brecht-Klassiker

Trier · Gute Menschen – gibt es die? Kann es sie überhaupt geben in einer Welt, wo Überleben zu wirtschaftlichem Handeln zwingt? Davon handelt Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“. Gastregisseurin Christina Gegenbauer will den Besuchern des Trierer Theaters trotzdem etwas zum Schmunzeln geben.

Christina Gegenbauer inszeniert in Trier „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht.

Christina Gegenbauer inszeniert in Trier „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht.

Foto: Anne Heucher

Wenigstens einen guten Menschen müsste man doch finden können auf dieser Welt! Das denken sich die Götter in Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“, als sie durch die Gegend streifen. Freilich ist ihre Suche nicht ganz uneigennützig. Die drei Herren wollen sich bestätigen, dass alles doch so bleiben kann, wie es ist. „Die Götter legitimieren ihr eigenes Dasein damit“, sagt Christina Gegenbauer aus Wien. Die Gastregisseurin inszeniert das Drama mit 30 Darstellern für die Bühne des Trierer Theaters und kann diese Götter nicht ganz ernst nehmen, die in den Armenvierteln vielerlei Elend begegnen, aber kein Mitleid verspüren. „Wir behandeln die Götter eher wie selbstverliebte Popstars, die sich gar nicht wirklich für die Welt interessieren“, erzählt die 33-Jährige über die laufenden Proben. Der Religionskritik des Lehrstücks, das 1943 in Zürich uraufgeführt wurde, will sie mit einem Augenzwinkern begegnen und überhaupt ein wenig den erhobenen Zeigefinger der berühmten Parabel zurücknehmen.

Fast das gesamte Trierer Schauspiel-Ensemble und 20 Akteure des Bürgertheaters sind in die Produktion eingebunden. Im Mittelpunkt steht Shen Te, ehemalige Prostituierte und spätere Tabakladen-Besitzerin. „Eine ganz spannende Figur“, erklärt Christina Gegenbauer. Sie sei eine, „die nicht Nein sagen kann, die keine Grenzen setzen, die sich nicht durchsetzen kann, und die so eine Anlaufstelle für Hilfsbedürftige wird“. Shen Te hilft Leuten, die sie aussaugen „und so lange um Hilfe bitten, bis sie nicht mehr weiter weiß und selbst vor finanziellen Problemen steht.“ In der Not – so viel sei für die Nicht-Eingeweihten verraten – erfindet Shen Te ihren starken Vetter Shui Ta, in dessen Rolle sie bei Bedarf schlüpft. Ein Kunstgriff mit weitreichenden Folgen – und viel Potenzial für eine Inzenierung.

Die Aktualität des Stücks, das als episches Theater bewusst mit vielen Elementen des klassischen Dramas brach, muss man im Krisenjahr 2022 nicht lange suchen. Immer mehr Menschen, beobachtet die Regisseurin, sind mit der bloßen Existenzsicherung beschäftigt angesichts wachsender Armut, Krieg und Umweltzerstörung. „Eigentlich“, gesteht Gegenbauer, „interessieren mich vor allem Texte, die in diesem Jahrtausend entstanden sind“. Da müsse man nicht fragen, ob es ein aktuelles Stück sei. Aber Brechts Werk sei „ein ganz tolles Stück über Menschlichkeit“, in dem mit der Musik von Paul Dessau „etwas ganz Außergewöhnliches“ stecke.

Tatsächlich finden sich auf der Agenda der gefragten Regisseurin sonst nur moderne Dramen: Sechs Premieren und eine Wiederaufnahme allein in dieser Spielzeit, darunter Bielefeld, Nürnberg, Detmold, Münster, Göttingen, Salzburg – und dazwischen nimmt Gegenbauer im November noch den Horváth-Preis entgegen. Im Sommer war die 33-Jährige bereits mit ihrem in Slowenien entwickelten Stück „Hin und her“ zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen eingeladen – ehre für die junge Künstlerin. „Ich bin voll ausgebucht“, freut sie sich. „Ich darf meinem Traumberuf nachgehen.“

„Und wir hatten Glück, dass wir diese aufstrebende Regisseurin bekommen haben“, sagt Dramaturgin Lara Fritz. Intendant Manfred Langner sei schon vor einer Weile auf sie aufmerksam geworden.

Es gibt noch Karten für die Premiere am 24. September, 19.30 Uhr. Karten gibt es online auf www.theater-trier.de, unter der Mailadresse theaterkasse@trier.de sowie unter Telefon 0651/ 718-1818.

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