Aus der Torte des Lebens geschnitten

Trier · Am Trierer Theater laufen die Endproben zu Henrik Ibsens Schauspiel "Hedda Gabler". Die Premiere am Samstagabend ist für gleich zwei junge Künstlerinnen ein Debüt: Ensemble-Neuling Alina Wolff spielt ihre erste Titelrolle, Bühnenbildnerin Anouk Schiltz hat erstmals die Trierer Hauptbühne gestaltet.

Trier. Mehr als hundert Jahre ist es her, dass die Figur Hedda Gabler das Licht der Bühnenwelt erblickte. 1891 wurde Ibsens Drama in München uraufgeführt, von seiner Rätselhaftigkeit hat es seitdem wenig verloren: Regisseure toben sich bis heute an der Figur aus und präsentieren sie mal als Amokläuferin (Schaubühne Berlin), mal als Inzestopfer mit homoerotischen Neigungen (Ulmer Theater).
In Trier hat Intendant Gerhard Weber, der das Stück zum ersten Mal inszeniert, einen klassischen Zugang gewählt. "Mich interessiert das Psychologische an Ibsens Theater, von solchen Geschichten hatten wir in den letzten Jahren zu wenige im Programm", erklärt er.
Für ihn ist Hedda Gabler "eines der genialsten Webstücke der Bühnenliteratur, geschnitten aus der großen Torte des Lebens". Er habe lange auf die Gelegenheit gewartet, die sich erst mit dem Ensemble-Neuling Alina Wolff ergeben habe: "Mit ihr und Klaus-Michael Nix habe ich eine Traumbesetzung wie aus dem Bilderbuch", erklärt ein begeisterter Intendant.
Webers Inszenierung ist getragen von dem Beitrag einer weiteren jungen Künstlerin, die mit ihren 32 Jahren bereits eine gefragte Bühnenbildnerin ist. Als Luxemburgerin, die in Frankreich studiert hat und aktuell in Trier inszeniert, ist Anouk Schiltz eine echte Europäerin, die mit Freude Grenzen überschreitet. Wie im Leben, so auch auf der Bühne: Sie arbeitet bevorzugt mit experimentellen, beweglichen Bühnenbildern. Für Hedda Gabler hat sie eine vergleichsweise konventionelle Bühne entworfen: geschwungene, weiße Wände, die fast bis zur Decke reichen, eine große Fensterfront, reduzierte Möbelausstattung.
"Beim ersten Lesen des Textes musste ich an ein Schneckenhaus denken. Diese Kälte, aber auch die Eingeschlossenheit wollte ich in mein Bühnenbild einfließen lassen." Angedeutete Verästelungen auf dem weißen Grund symbolisieren die Wucherungen, die von außen eindringen und die freiheitsliebende Hedda zur Gefangenen werden lassen. Auf Verweise auf eine bestimmte Zeit verzichten Weber und Schiltz bewusst, der Konflikt wird als universell und zeitlos eingeführt.
"Die Frage, an der Hedda zerbricht, ist die Unvereinbarkeit ihrer Liebe mit den gesellschaftlichen Verpflichtungen ihrer Zeit", erklärt Weber. "Und diese Gemengelage definiert auch heute noch jede Art von Beziehung." Ibsen hat mit Hedda Gabler das Porträt einer von Abstiegsängsten beherrschten bürgerlichen Gesellschaft gezeichnet. Die Frage, ob Hedda darin selbstbestimmte Täterin oder Opfer ihrer Umstände ist - sie wird wohl auch in hundert Jahren noch die Regisseure beschäftigen.
Premiere am Trierer Theater ist am Samstag, 28. April, Großes Haus, 19.30 Uhr.
Extra

Henrik Ibsens Drama erzählt in vier Akten die Geschichte der Generalstochter Hedda Gabler, die nach dem Tod ihres Vaters den Kunsthistoriker Jörg Tesman heiratet - eine Vernunftehe mit dem Ziel einer gesicherten Existenz. Die Handlung des Stückes setzt ein, als das Paar von seiner Hochzeitsreise in die auf Pump finanzierte Villa heimkehrt und die Lebensplanung ins Wanken gerät: Die sicher geglaubte Professur für Tesman wird fraglich, als Heddas Jugendliebe Ejlert Lövborg auf den Plan tritt. Kam er früher als Alkoholiker und Lebemann als Heiratskandidat nicht infrage, hat er sich mittlerweile gefangen und sorgt mit einem wissenschaftlichen Bestseller für Furore. Als er als aussichtsreicher Gegenkandidat für die Professur gehandelt wird, sieht Hedda ihren sicher geglaubten Lebensplan wie ein Kartenhaus einbrechen. Im Versuch, dem etwas entgegenzusetzen, treibt sie nicht nur ihre Umwelt, sondern auch sich selbst ins Verderben. kms

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