Aus der Traum von Antikenfestspielen: Open-Air-Spektakel „Nero Hero“ scheitert vor dem Start

Trier · Aus der Traum von der Wiederauferstehung der Antikenfestspiele: Die Stadt Trier hat die für Anfang August geplante Open-Air-Inszenierung „NeroHero“ vor der Porta Nigra im Begleitprogramm der großen Nero-Ausstellungen abgesagt. Es fehlte laut Kulturdezernent Thomas Egger an Geld und an politischer Unterstützung.

Verkünden das Scheitern der " Nero Hero"-Inszenierung vor der Porta Nigra: Kulturdezernent Thomas Egger (SPD, 3. Von rechts), Theaterintendant Karl Sibelius (2. Von rechts), Waltraut Körver, am Theater verantwortlich für den Tanz, sowie neben Egger von rechts: Roman Schleimer vom städtischen Kulturbüro, Paula Kolz (Trier Tourismus und Marketing GmbH) sowie Hermann Lewen, intendant des Mosel Musikfestivals. TV-Foto: Anne Heucher

Verkünden das Scheitern der " Nero Hero"-Inszenierung vor der Porta Nigra: Kulturdezernent Thomas Egger (SPD, 3. Von rechts), Theaterintendant Karl Sibelius (2. Von rechts), Waltraut Körver, am Theater verantwortlich für den Tanz, sowie neben Egger von rechts: Roman Schleimer vom städtischen Kulturbüro, Paula Kolz (Trier Tourismus und Marketing GmbH) sowie Hermann Lewen, intendant des Mosel Musikfestivals. TV-Foto: Anne Heucher

Foto: Anne Heucher

Das war ein Paukenschlag! Der Trierer Kulturdezernent Thomas Egger hat am Mittwoch in einer Pressekonferenz die für Anfang August vor der Porta Nigra geplante Inszenierung von "NeroHero" abgesagt. Das Multimedia-Spektakel im Begleitprogramm der großen Nero-Ausstellung in drei Trierer Museen sollte künstlerisch die vielen Gesichter des römischen Kaisers Nero beleuchten und mit einer Konzeption des renommierten Choreographen Cesc Gelabert aus Barcelona einen Grundstein legen für neuerliche Antikenfestspiele in der Römerstadt (siehe Hintergrund). Die Absage habe finanzielle und politische Gründe, sagte Egger.

Die Begründung: Nachdem zwei Sponsoren nicht die erwarteten Mittel zur Verfügung gestellt haben, fehlten der Stadt 30.000 Euro - laut Egger "ein Kleckerbetrag gegenüber dem, was die Stadt in der Vergangenheit in solche Projekte gesteckt hat". Insgesamt lag das Budget bei 377.000 Euro, wovon die Stadt jährlich 70.000 Euro beisteuern sollte. Der Dezernent hoffte darauf, dass der Stadtrat die fehlenden Mittel nachträglich bewilligen würde. Doch weil es hinter den Kulissen mächtig Ärger gab wegen des miserablen Kartenvorverkaufs (unter 200 Karten bisher), wegen fehlender Werbung und kaum vorhandener Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, formierte sich zunehmend Widerstand.

Die Fraktionen von CDU und Grünen erklärten in einer gemeinsamen Pressemitteilung am Montag, "NeroHero" entwickele sich wegen schlechter Vorbereitung "vom kulturellen Highlight zum Rohrkrepierer" und forderten Egger auf, "die Veranstaltung zu überdenken". Das gab wohl den Ausschlag, das Projekt hinzuschmeißen. In einem solch negativen Umfeld brauche man nicht mehr auf Sponsorensuche zu gehen, verteidigte sich Egger und machte die Kritiker verantwortlich für das Scheitern von "NeroHero". Mangelhafte Vorbereitung sah Egger nicht. "Ich zieh mir den Schuh nicht an, ich sei der Totengräber der Antikenfestspiele." Die ewige Finanzdiskussion und kritische Quertreiber hätten das Projekt kaputtgemacht.

"Hochkultur ist hochriskant", pflichtete Theaterintendant Karl Sibelius ihm bei. Das Theater habe intensiv an den Vorbereitungen gearbeitet und sei "zu hundert Prozent" im Kostenrahmen geblieben. Doch es fehle an Rückhalt in der Öffentlichkeit. Sibelius erteilte nicht nur "NeroHero" eine Absage, sondern erklärte zudem, für das "Nukleus"-Projekt, zu dem "NeroHero" gehört und dessen künstlerischer Leiter er ist, nicht mehr zur Verfügung zu stehen. "Es ist ein ungeheurer Schaden entstanden", sagte Waltraut Körver, die für den Tanz am Theater verantwortlich ist. Sie berichtete sichtlich geknickt von den intensiven Vorbereitungen an der Inszenierung - was den neben ihr sitzenden Intendanten veranlasste, ihr mitten im Satz einen dicken Kuss auf die Wange zu drücken.

Woran es hakt: Ursprünglich hatte die Stadt mit 1000 Zuschauern pro Abend und drei Vorstellungen kalkuliert. Doch die örtlichen Gegebenheiten rund um die Porta sowie die Größenordnung des Spektakels mit rund 130 tanzenden Akteuren hatten zu einer Beschränkung auf 600 Zuschauer pro Abend und auf zwei Vorstellungen geführt - mit der Folge, dass auch viel weniger Karten verkauft werden. Es hätte maximal 1200 Karten gegeben.
Laut Hermann Lewen, Intendant des Mosel Musikfestivals, in dessen Rahmen das Spektakel stand, hätte "NeroHero" besser in die bundesweit sehr professionell arbeitende Vorbereitung der Nero-Ausstellungen eingebunden sein müssen, um mehr Aufmerksamkeit zu erzielen. "Hochkultur ist sehr schwer abzusetzen in der Festivalsaison, wenn man nicht sehr viel Werbung macht." Lewen hofft, dass die vom Land gewünschte Belebung der antiken Stätten nicht auf den St.-Nimmerleinstag verschoben ist.

Wie geht es nun weiter? Der Kartenvorverkauf für "NeroHero" ist gestoppt, wer eine Karte gekauft hat, bekommt das Geld über das Mosel Musikfestival zurück. Was aus dem Stück künstlerisch werde, "das überlasse ich den Akteuren", sagte Egger. Die Kosten, die trotz der Absage zu übernehmen sind, müssten noch errechnet werden. Der Betrag dürfte sechsstellig sein. Man werde sich mit dem Land zusammensetzen, um nach neuen Perspektiven zu schauen. Eventuell für das Marx-Jahr 2018. Hintergrund

Im April 2014 hat der Stadtrat in Trier beschlossen, künftig einen kulturellen Höhepunkt innerhalb des Mosel Musikfestivals einzurichten, als hochkarätiges "Festival im Festival", das sich an der Geschichte der Stadt orientiert und überregional ausstrahlt. Der Arbeitstitel lautet "Nukleus". Ab dem Jahr 2015 sind dafür jährlich 70.000 Euro im Haushalt reserviert.
"Nero Hero" ist das erste Projekt der Reihe "Nukleus". Nach dem Scheitern der Antikenfestspiele und von "Brot & Spiele" sollte erstmals wieder in Trier eine antike Welterbestätte in Szene gesetzt werden - mit besonderer Unterstützung des Landes. Erwartet wurden von dort 70.000 Euro, wobei laut einer Ministeriumssprecherin bis zum vergangenen Wochenende kein Förderantrag für "NeroHero" eingegangen war.
Für 2016 bot es sich an, Nero in den Blickpunkt zu rücken, weil in der Stadt drei große Ausstellungen zum Leben und Wirken des antiken Herrschers laufen. Theaterindentant Karl Sibelius hatte die künstlerische Gesamtleitung übernommen und einige außergewöhnliche Akteure gewonnen. Durch die Kooperation mit dem seit 30 Jahren erfolgreichen Mosel Musikfestival und die Aufnahme in den rheinland-pfälzischen Kultursommer dockte die Stadt zudem an ein etabliertes Programm an. In einer Uraufführung sollten Anfang August open-air in einem Multimedia-Spektakel international renommierte Künstler zusammen mit Bürgern aus der Region Trier auftreten. Die Musik sollte die mit Preisen ausgezeichnete Band "naked lunch" komponieren, für die Choreographie und Konzeption mit dem Ensemble der Company Susanne Linke war der aus Barcelona stammende Cesc Gelabert engagiert, der als einer der wichtigsten Vertreter modernen Tanzes in Spanien gilt. Außerdem wurde für die Regie Bernd Liepold-Mosser gewonnen, der 2011 den Wiener Theaterpreis Nestroy erhalten hat. aheuMeinung

Eine vermeidbare Kapitulation

An der Absage von "NeroHero" knapp 2000 Jahre nach seinem Tod hätte der römische Kaiser Nero (37-68 n. Chr.), der die Selbstinszenierung liebte, seine Freude gehabt! Da gab es wüste Beschimpfungen gegen Journalisten, heftige Schuldzuweisungen, unterdrückte Tränen und ein überraschendes Intendanten-Küsschen. Doch die Pressekonferenz war leider kein Theater, sondern bitterer Ernst.
Dass nach den Antikenfestspielen unter Heinz Lukas-Kindermann und "Brot & Spiele" nun auch der Versuch gescheitert ist, in sehr konzentrierter und überschaubarer Form eine antike Welterbestätte künstlerisch in Szene zu setzen, die weit über die Region hätte ausstrahlen können, ist ein Jammer! Gerade von solch einem Projekt würde Trier nachhaltig profitieren.
Während am Freitag noch alle Akteure und Fraktionen das Projekt retten wollten, kippte am Sonntag plötzlich die Stimmung und machte mit einem Schlag all die Mühe zunichte, die Dutzende von Kulturschaffenden schon in das Spektakel gesteckt haben. Der Dezernent hat vor der Kritik an unprofessioneller Vorbereitung schier kapituliert. Noch weiter ging Intendant Sibelius, der gleich die Verantwortung für die komplette "Nukleus"-Reihe niederlegte, als sei es ein Ehrenamt und nicht Teil seines Vertrags. Wenn ein neuer Versuch für ein überregional bedeutsames Stück im Karl-Marx-Jahr 2018 überhaupt eine Chance haben soll, müsste es sofort auf den Weg gebracht werden.
a.heucher@volksfreund.de

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