Außergewöhnliches Gastspiel mit Ohad Naharins Tanzstück "Hora"

Trier · Ein ganz außergewöhnliches Ereignis erwartet Ballettfreunde am Freitagabend im Theater Trier. Als Kooperation mit dem Saarländischen Staatstheater Saarbrücken führt dessen Ballett Ohad Naharins Tanzstück "Hora" auf.

Trier. "Statt eine Stunde perfekte Tanztechnik anzuschauen, möchte ich lieber fünf Sekunden etwas ganz Eigenständiges, Außergewöhnliches sehen", wird Ohad Naharin in einem Interview mit der New York Times zitiert. Der Tanz als perfektionierte Bewegungstechnik ist Naharins Sache nicht. Der israelische Tänzer und Choreograf ist einer der bedeutendsten wie eigenwilligsten Vertreter seines Fachs.
Der 1952 geborene Chef der Batsheva Dance Company in Tel Aviv, dessen Begabung Tanzikone Martha Graham entdeckte, hat mit seinen Choreografien wie wenig andere den modernen Ausdruckstanz beeinflusst und geprägt. Für den inzwischen weltberühmten Naharin ist der Tanz gleichermaßen ein Weg, die Welt zu entdecken, wie ein Mittel, sich selbst zu finden und sich des eigenen Körpers und der eigenen Befindlichkeiten bewusst zu werden. Dazu hat der Choreograf vor einigen Jahren eine ganz eigene Bewegungssprache namens "Gaga" entwickelt. Dahinter verbirgt sich eine Art Wort-Alphabet, bei dem jedes Wort Assoziationen und Empfindungen hervorrufen soll, die sich in Bewegung veräußern. Dabei wird das ganze Spektrum menschlicher Vorstellungen und Emotionen angesprochen. Sogar durchgeknallt kann es da schon mal zugehen, wie der Name in Aussicht stellt. "Gaga lässt einen erkennen, dass Freude, Schmerz und Traurigkeit gleichzeitig vorhanden sein können, dass sie sich nicht widersprechen und gegenseitig ausschließen", sagt Naharin. In Israel gibt es inzwischen auch für Laien und Kinder eigene Workshops, in denen Gaga praktiziert wird. Manch einer erlebt Naharins Bewegungssprache gar als eine "weltliche Art religiöser Erfahrung".
Auch seinem Tanzstück "Hora", mit dem das Ballett des SST nach Trier kommt, liegt "Gaga" zugrunde. "Hora" ist bekanntlich das lateinische, ins Spanische wie Portugiesische übernommene Wort für "Stunde". Allerdings geht es dem als humorvoll bekannten Choreografen in seinem Stück nicht um ein exaktes Zeitmaß. Wie in seiner Bewegungssprache bleibt auch hier die Bedeutung fließend und vielfältig. "Hora" steht seiner Bedeutung nach schließlich ebenso für einen umgangssprachlichen japanischen Gruß wie für einen rumänischen, nach Israel exportierten Volkstanz. Zudem ähnelt das Wort einem norwegischen Schimpfwort.
Genauso ambivalent ist die Situation der Tänzer. In "Hora" wird in der Bewegung die individuelle Erfahrung der Tanzenden mit dem eigenen Körper ausgelotet sowie ihre Bezüge zur Gruppe und ihre Stellung darin. Im übrigen gilt auch in diesem 2009 uraufgeführten Tanzstück, für dessen Einstudierung das Ballett des Staatstheaters Saarbrücken die erste Lizenz weltweit erhalten hat, Naharins Credo: "Je mehr man sich bewegen kann, desto mehr kann man sagen." Das dürfte ein spannender Abend werden. er
Das Gastspiel "Hora" läuft am Freitag, 22. April, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Theaters Trier.

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