Kultur Packende Träume aus Bewegung und Musik – Ballett „Wagners Traum“ feierte im Theater Trier Premiere

Trier · Roberto Scafatis Ballett „Wagners Traum“  feierte im Theater Trier Premiere.  Das begeisterte Publikum erlebte ein gelungenes Gesamtkunstwerk.

Ein Gesamtkunstwerk:   Roberto Scafatis Ballett „Wagners Traum“ am Theater Trier.

Ein Gesamtkunstwerk: Roberto Scafatis Ballett „Wagners Traum“ am Theater Trier.

Foto: TV/theater Trier

Fantastische Bilder und ein fabelhaftes Tanzensemble wurden am Samstag im Theater Trier zu hinreißenden Traumdeutern. Dort hatte Roberto Scafatis  Ballett „Wagners Traum“ Premiere,  bei dem der Ballettchef  Inszenierung und Choreographie besorgt hat (Libretto: Roberto Scafati, Eva Wagner).

Dass Richard Wagner zu denen gehörte, die unbeirrt an die Verwirklichung ihrer Träume glaubten, erkennt leicht, wer sich nur mit der Biografie des Komponisten beschäftigt. Aber auch  wer sich bislang nicht mit ihm befasst hat, versteht auf Anhieb, um was es  geht, wenn sich an diesem Abend der Vorhang hebt.

Ein weißes Segel zieht Yoko Seyama auf ihrer neuerlich wunderbar sparsam, aber umso eindrücklicher eingerichteten Bühne hoch, das sich bläht oder je nach Gefühlslage glüht oder golden schimmert. Am Ende, bei Wagners Tod,  liegt es schwarz am Boden. Das geblähte Segel ist eines der bekannten  Symbole der Traumdeutung. Der Wind versinnbildlicht die Energie des Traums.

Derart unterwegs durch die Nacht  ist auch das Schiff  des „fliegenden Holländers“, jenes ewigen  Seefahrers, der auf den Meeren irrt und Erlösung bei einer Frau sucht. Wagner schrieb die frühe Oper nach dem Erlebnis einer stürmischen Seereise. Man kann sie für sinnbildlich halten, glich doch der 1813 geborene  Komponist selbst  einem  durch die  Irrungen und Wirrungen  der Welt und ihrer „schweren Wasser“ Getriebenem, der jedoch unbeirrt an die Verwirklichung seines Traums glaubte und dabei höchste Glückseligkeit und tiefste Verzweiflung erfuhr.

Am Ende fand er in Bayreuth so etwas wie Erlösung. „Hier, wo mein Wähnen Frieden fand“ “, steht dort über Wagners Villa. Eigentlich eine Riesenherausforderung, das Wähnen und Träumen des Musik-Giganten mit all seinen Widersprüchen, seinem Licht und seiner Dunkelheit in einem Ballett zu erzählen, und dazu noch die Lebensgeschichte.

Und doch ist der Tanz als Zeichensprache der Bewegung  besonders geeignet dafür, Wesentliches sichtbar zu machen. Scafati hat sich klug beschränkt. Statt geschwätzig eine Geschichte zu erzählen oder Ausstattungstheater zu produzieren, setzt er in seiner Choreographie auf die seelischen und geistigen Energien seines Protagonisten und dessen Umfeld 

Dazu hat er eine Ballettproduktion geschaffen, in der sich – ganz in Wagners Sinn – Bewegungssprache, Musik,  Bühnenbild, Kostümbild (Rosa Ana Chanzá) und die hervorragende hochpoetische Lichtregie von Andreas Rehfeld eindrucksvoll zum beredten Gesamtkunstwerk verdichten. Darin wird Wagners Leben und Schaffen als komplexes Gewirk zwischen Traum und Alptraum, Fantasie und Wirklichkeit erfahrbar.

Im Mittelpunkt stehen die beiden Frauen, die fürsorgliche Minna und die inspirierende, wirkmächtige Cosima. Weggefährten sind der Schweizer Bankier Otto Wesendonck (Madhav Davide Valmiki) und seine kultivierte Frau Mathilde (Laura Evangelisti), in die Wagner verliebt war und deren Gedichte er in den wunderbaren „Wesendonck-Liedern“ vertonte.  Zudem treten auf: der Philosoph Friedrich Nietzsche (Giorgio Strano), Wagners großer Mäzen, König Ludwig II. von Bayern (Peng Chen) und der Komponist Franz Liszt (Leonardo Germani).

Statt Starkult zu  betreiben, setzt Roberto Scafati auf Ensemble-Arbeit und die Entwicklung aller seiner Ensemble-Mitglieder. Einmal mehr wird das in der neuen Produktion  in der Besetzung der Rolle Richard Wagners sichtbar. Nie zuvor hat man Francesco Aversano in einer so großen Rolle und so reif gesehen.

Er ist ein ungeheuer geschmeidiger Wagner, der in seinen Bewegungen packend und lebendig Sehnsüchte, Ängste und Glücksgefühle ableitet. Mit ihm, gegen ihn und ihm zur Seite: Minna und Cosima.  Als Minna ist Morgan Perez der Star des Abends. Hochpräsent, temperamentvoll und selbstbewusst ist die Tänzerin eine umwerfende Wagner-Gefährtin. Sensibel, zugewandt und schmiegsam stellt sich ihre Nachfolgerin Cosima (Chiara Bonciani) dar. Zu großer Form laufen beide im Dialog der Bewegung mit  Aversano auf.

Überhaupt sind die Pas de deux dieses Abends die tänzerischen Highlights. In den Gruppenbildern findet sich das Ensemble schnell ausdrucksstark  zusammen. Überzeugend vergegenwärtigen die Tänzerinnen und Tänzer  die Bedrohung des Traums durch die feindliche Wirklichkeit  mit ihren Vertretern der sogenannten öffentlichen Moral oder  Wagners Gläubigern. Und nicht zuletzt bleibt Wagner selbst in seinen Selbstinszenierungen und im bipolaren Motiv des Doppelgängers (verkörpert durch Ensemblemitglieder)  ein permanenter Grenzgänger zwischen Realität und Surrealität.

All das auf der energetischen Grundlage der Musik. Im Orchestergraben schafft es Generalmusikdirektor Jochem Hochstenbach als musikalischer Leiter gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester der Stadt Trier die Musik-Collage  mit Auszügen  aus Wagners Opern (Musik:  Roberto Scafati)  zu einer stimmigen  sinfonischen Einheit zu verbinden.

Dabei wird Wagners Klangwucht ebenso erlebbar wie seine romantische Weite und seine feine Klangsinnlichkeit. Wunderschön und fein die Textur der Streicherklänge. Übrigens, wer sich erinnert: Wenn gegen Ende  ein Vorhang aus Streifen fällt, den die Tänzer zur Seite räumen, zitiert Scafati aus seiner Produktion „Rituale“. Eine unbedingt empfehlenswerte Produktion, in der alles vielfältig und vielfarbig spricht und anspricht. Jubel im gut besetzten Haus.

Weitere Termine: 30. Oktober, 18 Uhr, 13. November, 16 Uhr, 3. Dezember und 21. Dezember, jeweils 19.30 Uhr, Großes Haus.
Info: theater-trier.de

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