Bandsalat für die Seele

Trier · Für immer jung: Warum die Hörspiel-Erinnerung mit dem Vollplaybacktheater so richtig Spaß macht.

 Zwischen Akte-X-Poster, Bert aus der Sesamstraße und Tequila: Die drei Fragezeichen Peter, Bob und Justus (von links). TV-Foto: Andreas Feichtner

Zwischen Akte-X-Poster, Bert aus der Sesamstraße und Tequila: Die drei Fragezeichen Peter, Bob und Justus (von links). TV-Foto: Andreas Feichtner

Foto: (g_kultur

Trier Nostalgie mag für Leute sein, die zu viel Zeit haben und zu wenig Jetzt. Wer in den 80ern groß wurde: Esspapier, Dolomiti und Leckmuscheln waren schon damals nicht der große kulinarische Wurf. Und saurer Regen, Tschernobyl, Pershings oder Modern Talking nichts, wonach die Welt gelechzt hat - zumindest der größere Teil von ihr. Aber wenn man am Sonntagabend heimkommt, nach gut zweistündiger Perwoll-Gehirnwäsche in der Europahalle vom Vollplaybacktheater (VPT) und ihrer nur so von Geist und Gaga sprühenden Interpration von "Die drei ??? und der grüne Geist", dann könnte man glatt doch mal den VHS-Videorecorder den Dachboden-Spinnen entreißen und "Ghostbusters" schauen oder "Zurück in die Zukunft". Oder, besser noch, "Twin Peaks". In den Schlaf säuseln dann wie eh und je aus dem Ohrhörer die vertrauten Stimmen von Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews. Die drei Detektive aus Rocky Beach sind auch nach 40 Hörspiel-Jahren nicht gealtert. Der einzige Bruch in ihrem Leben: der Stimmbruch. Das spendet den Gleichaltrigen von damals Trost, bei denen mehr kaputt ging als die Piepsstimme.
Für das Dauerfeuer an Assoziationen sorgen die sechs Vollplay backer, die seit knapp 20 Jahren mit beachtlichem Erfolg unterwegs sind. Auch Pan Tau, Krieg der Sterne (ja, Kiddies, das hieß früher so!), Matrix, Ernie und Bert aus der Sesamstraße, die Muppet Show oder - viel neuer - Jan Böhmermanns "Ich habe Polizei" werden diesmal zitiert, neben vielen anderen. Das VPT verquirlt Original-Hörspiele mit Filmzitaten und Songs von Michael Jackson über Rage against the Machine bis Rednex, schneidet alles collagenartig zusammen - und bringt das pantomimisch auf die Bühne, comichaft überzeichnet. Und die Schnapsidee von einst knallt immer noch sehr gut. Das ist eine erfreuliche Erkenntnis des Abends.
Trier steht seit Jahren auf dem Spielplan: Tufa, Forum und BBS-Aula wurden schnell zu klein. Die Europahalle reicht inzwischen gerade so. Und so sehr das Konzept auch gleichbleibt - Spaß bietet der Parforce-Ritt des Wuppertaler Ensembles für die Generation Kassettenrekorder noch reichlich. Schließlich gibt es immer Neues zu entdecken. Das Kramen in kollektiven Kindheitserinnerungen ist nur die Basis. Beim "grünen Geist", wieder mal einem alten Fall der drei Detektive, klappt das ganz besonders gut. So geschickt wurden Charaktere aus anderen Hörspielen - etwa Geisterjäger John Sinclair - bisher nicht in die Handlung eingebaut. Man merkt in jeder Sekunde, dass da schon die Vorbereitungen einen Mordsspaß gemacht haben müssen. Apropos: Tote gibt's in diesem Fall auch, schon gleich zu Beginn. Aber selbst da findet sich später noch ein Happy End.
Der eigentliche Plot spielt ohnehin keine allzu große Rolle. Während viele im (überwiegend) Ü30-Publikum die Querverweise suchen und finden, und dabei viel zu lachen haben, lernen Jüngere wohl ein neues Wort an diesem Abend - mittendrin, als die Vorstellung kurzzeitig stockt: Justus Jonas und John Sinclair in der Wüste, unter Geiern, dahinter auf der Leinwand: plötzlich nur noch Testbild. Dann ruft jemand vom Mischpult aus: "'Tschuldigung, Bandsalat!" Man darf davon ausgehen, dass der Computer dieses Problem von früher so nicht mehr kennt. Ach, mit ein bisschen Verklärung hatte selbst jeder Bandsalat fast was Meditatives: Bleistift, Geduld - und schon war er weg. Jetzt aber flott zurück ins Jetzt, Nostallergiker!

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