Bauarbeiter, Busfahrer, Fingernägel und die Banalitäten des Alltags

Trier · Mit seinem Programm "Tüpfelhyänen - die Entmachtung des Üblichen" hat der Träger des Deutschen Kleinkunst- und Kabarettpreises Sebastian Krämer in der Tufa Trier ein Gastspiel gegeben. Es fiel nicht so zündend und furios aus wie die vorherigen, wurde mit seiner Mischung aus Musik, Philosophie und Pathos von den 90 Zuschauern gut aufgenommen.

 Verpackt seinen Blick auf die Welt in Lieder zwischen Poesie und subversiver Bösartigkeit: Sebastian Krämer in der Tufa Trier. TV-Foto: Anke Emmerling

Verpackt seinen Blick auf die Welt in Lieder zwischen Poesie und subversiver Bösartigkeit: Sebastian Krämer in der Tufa Trier. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. "Überall, wo Kommunikation ist, ist Gefahr", sagt Sebastian Krämer, "so ein Abend kann auch schiefgehen." Schiefgegangen ist sein vierter Gastspielabend in der Tufa nicht, aber einen etwas durchwachsenen Eindruck hat er doch hinterlassen. Ein bisschen verkrampft und langatmig wirkt das neue Programm phasenweise, besonders zu Beginn.
Dabei steht sein Titel "Tüpfelhyänen - die Entmachtung des Üblichen" für einen durchaus interessanten roten Faden: Die Entdeckung der Möglichkeiten, die das Leben bietet, besonders die allzu abwegig Erscheinenden. Weil das natürlich sehr an den Slogan eines schwedischen Möbelhauses erinnert, schlägt Sebastian Krämer gleich die Möglichkeit vor, dort nicht einzukaufen.
Das klingt genauso bemüht witzig wie die nächste Option, sich als Bauarbeiter Fingernägel im Leopardenlook gestalten zu lassen. Und dann driftet Krämer ins Fabulieren über die Welt des Unwirklichen ab, was mit zwar selbstironischen aber dennoch müden Gags wie "meine Managerin hat keinen Kopf, ist also ein Geist" daherkommt.
Von den neuen Chansons, die das Thema meist in weiterem Sinne streifen, erklingen viele in Moll-Harmonien und schwermütig-lyrisch. Einige üben Zeitkritik in resignativer Manier: "Ich komme in eine Stadt und kenne das alles schon" oder "...wir haben andere (Politiker) nicht gewählt, weil es sie nicht gab, was bei unserem Wahlrecht Zustimmung heißt". Doch im Verlauf des Abends reihen sich immer häufiger Perlen mit dem Glanz der so viel geschätzten frischen Krämer-Originalität aneinander. Das sind manchmal in die Form des romantischen Kunstliedes, in Swing-, Ragtime- oder Tangogewand verpackte Chansons, deren Witz über das Unerwartete funktioniert.
Poesie prallt auf Banalität, perfektes Versmaß auf holprige Ungereimtheit, Süßholz auf Bösartigkeit. Ob er über den Tod eines Autogrammjägers durch Kugelschreiberstiche singt oder Dinge, die unsichtbar, aber noch da sind wie die Schadenfreude - Krämer zeigt seine Gewandtheit auf den Tasten des Flügels wie auf der Klaviatur der deutschen Sprache. Klar, dass er einige seiner größten Erfolge präsentiert, den "Techno"-Titel "Busfahrer" übers nervige Ausfahren der Rollstuhlrampe im Linienbus oder das "Deutschlehrerlied", die pathetische Abrechnung mit einem Berufsstand. Dafür erntete er viel Applaus. ae

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