Bayerns schnuckelige Femme Fatale

TRIER. Sissi Perlinger träumt von den Stationen ihres bunten Lebens, das in Bayern begann. Ihr Partner Herr Scheibe steht ihr mit Klamauk und Komik zur Seite.

Das ist das Risiko von Freiluftveranstaltungen: Es kann regnen, grollen und gewittern. So auch an diesem Abend, als die mehrtägige, vom Trierischen Volksfreund präsentierte Konzert- und Aufführungsreihe in den Kaiserthermen ihren Auftakt haben sollte. Eine Dreiviertelstunde vor Beginn setzt Regen ein, und er wird immer heftiger. Manche Besucher fragen vorsichtshalber an der Abendkasse nach, ob die Vorstellung tatsächlich stattfinden wird. Die meisten vertrauen jedoch auf besseres Wetter, drängen sich unter ihre Regenschirme oder stehen unter einem Bogen der Thermen dicht zusammen. Kurz vor dem offiziellen Start der Show geschieht dann doch das insgeheim Erhoffte: Der Regen hört allmählich auf. Die Veranstalter verteilen schnell Handtücher, um die Sitze trocken zu wischen, und als jeder Platz genommen hat, huscht eine attraktive Frau auf die Bühne, klimpert mit den Wimpern und sagt: "Lieber Gott, vielen Dank." Sissi Perlinger ist bauchfrei zwischen Tigerhose und Leopardenjäckchen, freut sich, dass ihr Auftritt nicht ins Wasser fallen muss, übt Applaus-Attacken und erklärt der ersten Reihe deren Bedeutung: "Ihr seid Anklatscher, Vorlacher und Anreißer." Die Comedy-Königin ist mit neuem Traum-Programm unterwegs. Sissi Perlinger hat sich als "Strickmuster" ihres aktuellen Kabaretts das eigene Leben ausgesucht. Also rollt sie die großen Augen, verschwindet hinterm Vorhang, kommt wieder hervor und spielt ihre Geburt, bei der sie "ausgerechnet in Bayern" wiedergeboren wird. Sie hat sich als süßes Riesenbaby verkleidet - mit Pampers, Schnuller und Nuckelfläschchen. Sie streckt die Zunge raus, zeigt einen Mutter-Kind-Schuhplattler und erzählt vom schwierigen Verhältnis zu den Eltern, der Rebellion zu Schulzeiten und den ersten, schüchternen Annäherungsversuchen ans andere Geschlecht. Die Jungs erscheinen ihr wie "junge Hunde", und so taucht auch Sissi Perlinger als verwuschelter Straßenköter auf der Rampe auf.Ein folgenschwerer Schokoriegel-Diebstahl

Die Jahrzehnte wechseln mittlerweile nach jeder zweiten Pointe: Auf der Polizeiwache sitzt sie in den 70ern wegen Schokoriegel-Klau, in den 80ern wirft sie sich in Disco-Fummel, um am Türsteher vorbei zu kommen, und in den 90ern frönt sie Fitness-Kult samt Anti-Aging-Operationen und macht sich der "fahrlässigen Faltenbildung" schuldig. Es sind diese Rollen mit bunten Klamotten, die zum Markenzeichen von Sissi Perlinger geworden sind. Die schrille Stimme, die zarten Gesten und die schnuckeligen Geräusche - das darf man bei ihr stets erwarten. Auch wenn manchmal der Witz misslingt, die Gags dann und wann als Zoten funktionieren und wegen eines Hustenanfalls die Nummer ins Stocken gerät, steht die bayerische Femme Fatale dermaßen präsent und sympathisch auf der Bühne, dass die Besucher lauthals lachen und lange applaudieren. Dazu trägt auch "Herr Scheibe" bei, Perlingers langjähriger Showpartner, der allerlei Instrumente und Mundarten beherrscht. Das bayerische Muttchen gibt er ebenso augenzwinkernd wie den Hamburger Proleten, der den Disco-Tempel, vor dem er wacht, im Laufe der Jahre übernimmt, und mit dem Publikum seine Späßchen treibt. Besonders die musikalischen Einlagen - ob mit NDW-Melodien oder beim Angst-vorm-Verlassenwerden-Blues - scheinen den beiden richtig Spaß zu machen. Die letzte Nummer wagt den Blick ins Jahr 2060. Sissi Perlinger und Herr Scheibe sind zwar vergreist, machen aber immer noch tolle Unterhaltung. Sie wackeln über die Bühne, schnalzen mit den drit- ten Zähnen und verkriechen sich am Ende in denselben Schlauchkanal, aus dem am Anfang Sissi Perlinger als Baby gesprungen kam. Sie fragen sich, wie wohl ihre nächste Wiedergeburt aussehen mag. Das Publikum hat vor Begeisterung das schlechte Wetter vor der Show ganz vergessen. Während des Auftritts hat es nämlich keinen Tropfen mehr geregnet. no/joa

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