Beat, bis der Arzt kommt

Trier · Beatmusik der 1960er Jahre aus Uruguay, Peru und Argentinien gehören zum aktuellen Projekt ¡Más Shake! von Rodrigo "Rod" González. Bekannt ist der gebürtige Chilene durch die Band Die Ärzte, mit der er nächstes Jahr wieder auf Tournee geht. Am 28. Januar ist er aber erst noch mit ¡Más Shake! im Casino am Trierer Konmarkt zu Gast.

Trier. Mit TV-Mitarbeiter Olaf Neumann hat Rod González über seine Kindheit in einer Diktatur, musikalische Wurzeln und seine neue Platte gesprochen. Mit ¡Más Shake! covern Sie Beatbands wie die Los Shakers aus Uruguay. Diese galten in den 1960ern als die "Beatles vom Rio De La Plata". Waren Sie dennoch mehr als ein Abklatsch der Fab Four?Rod González: Die Beatles sind ja nie nach Südamerika gekommen, also brauchte man dort einen Ersatz. Die Brüder Hugo und Osvaldo Fattoruso waren gute Jazzmusiker, fuhren aber voll auf Beatmusik ab und stellten deshalb 1963 die Los Shakers zusammen. Sie fingen an mit Beatles-Covern und schrieben später eigene Songs, zum Teil in unverständlichem Englisch.Was ist aus den Los Shakers geworden?González: Nachdem sie für eine fünf Jahre andauernde Südamerikatournee mit 500 Dollar pro Nase abgespeist wurden, lösten sie sich auf - und hinterließen wunderschöne Songs. Diese besitzen den Esprit der Beatles von 1965/66. Ihr letztes Album erschien 1968, welches in Richtung Sergeant Pepper ging, aber ohne diese barocken Elemente. Stattdessen hört man darauf südamerikanische Beats wie Candomblé und Samba, das macht das Ganze wesentlich interessanter.Wie sind Sie auf die Beatmusik aus Südamerika aufmerksam geworden?González: Als ich einmal mit meiner großen Band Die Ärzte in Südamerika war, habe ich mir viele alte Vinyl-Platten und CD-Reissues mitgebracht und noch viele Jahre später nach unveröffentlichten Aufnahmen geforscht. Das musikalische Zentrum Südamerikas war damals Buenos Aires. Zeitweise habe ich die Los Shakers in Dauerschleife gehört, bis ich ihre Songs dann selbst spielen wollte. Eine reine Coverband wäre blöd gewesen, deswegen öffnen wir uns auch für andere Beatbands aus Südamerika. Los Psychos aus Peru nahmen bereits Mitte der 1960er den Punk vorweg, ihre Landsleute von We All Together gingen um 1970 in Richtung Wings und Badfinger. Auch in Argentinien gab es tolle Bands wie Tequila oder Los Walkers.Mit den Militärdiktaturen in Chile, Uruguay, Peru und Argentinien endete die Beat- und Rock-Ära schlagartig. Ging es im Untergrund weiter?González: Gerade die progressiven Bands haben mit dem Beginn der Diktatur aufgehört, Musik zu machen. Viele sind nach Frankreich exiliert, und es gab in Lateinamerika erst mal keine Untergrund-Popularmusik mehr. Erst Mitte der 1980er, als sich die Diktaturen aufzulösen begannen, hatten junge Leute wieder den Mut, Bands zu starten. Das war dann aber eine ganz andere Musik, eher beeinflusst von Punk und New Wave.Sie selbst wurden im chilenischen Valparaíso geboren und kamen 1973 mit Ihrer Familie nach Hamburg. Sind Ihre Eltern mit südamerikanischer Beat-Musik großgeworden?González: Ja klar. Ich habe ihnen vor einiger Zeit mal eine CD zusammengestellt. Für sie waren es alte Schnulzen aus den Pubs von Valparaíso, aber für mich richtige Beat-Nummern. Meine Eltern haben diese CD die ganze Nacht gehört und dazu einen Wein aufgemacht.Auf welche Weise waren Ihre Eltern politisch aktiv?González: Sie waren gewerkschaftlich organisiert. Mit dem Militärputsch wurden sämtliche Gewerkschaften verboten und ihre Führer inhaftiert. Wer in den Jahren zuvor Salvador Allende unterstützt hatte, musste das Land sofort verlassen. Wer blieb, wurde verhaftet, gefoltert oder sogar erschossen. Es war klar, dass wir da raus mussten.Sie spielen bei den Ärzten, ¡Más Shake! und Abwärts. Wie kriegen Sie drei Bands unter einen Hut?González: Irgendwie geht\'s. Mit ¡Más Shake! können wir leider nicht so oft proben, weil unser Schlagzeuger Thomas noch viel mehr Projekte am Laufen hat. Aber wenn wir dann zusammen spielen, ist es total geil. Diese Band macht einfach gute Laune. Nach den Proben fühle ich mich immer sehr gelöst - wie nach dem Sport.Gibt es Parallelen zwischen ¡Más Shake! und den Ärzten?González: Eine Parallele ist sicher da, aber wir klingen schon unterschiedlich. Ich glaube auch nicht, dass sich die Beschäftigung mit Beat auf die Ärzte auswirken wird. Die Musik der Ärzte baut eher auf Punk und Rock auf, während ¡Más Shake! wirklich Beat spielen. Diese Musik hat mich schon immer umgeben, hier fühle ich mich total zu Hause: Ein Chor, eine knackige Melodie und nur zwei Refrains und zwei Strophen - Feierabend. oneuDie Auflage der ersten 7" Vinyl-EP ¡Más Shake! (Rod Rec) ist auf 500 Stück limitiert. Auch als Download erhältlich unter: http://www.rodarmy.org

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort