Befreit von jeglicher Schwere, mit der Leichtigkeit des Glaubens

Luxemburg · Eigentlich wollte Felix Mendelssohn-Bartholdy seine Symphonie Nr. 5, die "Reformationssymphonie" in den Ofen werfen. Nach der Aufführung durch John Eliot Gardiner und das London Symphony Orchestra am Mittwoch in der Philharmonie hätte er es sich bestimmt anders überlegt.

Luxemburg. Gottvertrauen macht munter. John Eliot Gardiner hat es am Mittwoch einmal mehr in der Luxemburger Philharmonie bestätigt. Dorthin war der berühmte und wegen seiner exzentrischen Natur durchaus berüchtigte Dirigent mit Felix Mendelssohn Bartholdys "Reformationssymphonie" gekommen, die der Komponist zum 300. Geburtstag der Confessio Augustana, der offiziellen Einsetzung des Lutherischen Glaubensbekenntnisses, geschrieben hatte.
Beinahe ein Raub der Flammen


Selbstbewusst und eine Spur distanziert wirkte der weißhaarige Engländer - very british eben. Dabei ist Sir John innwendig durch und durch lebendig. Wie sich zeigte, war Mendelssohns leicht angestaubtes und wenig organisches Stück, das der Komponist nach der Uraufführung am liebsten gleich wieder verfeuert hätte, bei dem Briten genau richtig. Die jugendlich romantischen Mischung aus religiösem Pathos und bekannter Mendelssohn\'scher Klangsinnlichkeit befreite Gardiner gleich im ersten Satz, von jeglicher Schwere, ohne ihm den feierlichen Ernst zu nehmen.
Schmal und schlank ließ Gardiner die Londoner Symphoniker spielen. Die Stärke des Engländers, bei aller Vielfarbigkeit klare Strukturen zu schaffen und sichtbar zu machen, kam auch Mendelssohns Stück zugute. Dass die Musiker wie im 19. Jahrhundert im Stehen spielten, unterstützte den Eindruck eines lebendigen Dialogs zwischen den Instrumentengruppen, deren Energien Gardiner wie wenige nützt. Nach dem glaubenssicheren ersten Satz konnte die Musik in den beiden nächsten Sätzen unbesorgt leuchten, mit den Geigen schweben und sich selig wiegen. "Ein feste Burg ist unser Gott" strahlten die Bläser im letzten Satz. Der geriet zum Höhepunkt des ganzen Abends. Wunderbar durchsichtig machte Gardiner das kontrastreiche feingliedrige Gefüge einsichtig und hörbar, woher die Musik kam. Bachs Dialektik und Beethovens Feuer klangen mit.
Zuvor hatte der junge Cellist Gautier Capuçon in Robert Schumanns selten gespieltem Cellokonzert geglänzt, ebenfalls begleitet von den Londoner Symphonikern. Dass der Franzose ein Musiker ist, dessen Ausdrucksvielfalt und technische Möglichkeiten fast unbegrenzt erscheinen, war vor allem im letzten "Mouvement" (dem letzten Satz) zu erleben. Überhaupt setzte Capuçon entschieden auf Tempo und Virtuosität. Gerade im ersten "Mouvement" hätte man sich allerdings mehr Nachdenklichkeit und Innerlichkeit sogar mehr Zerrissenheit gewünscht. Begonnen hatte der Abend mit Mendelssohns beredter "Meeresstille" und "Glücklicher Fahrt". Die 1350 Zuhörer jubelten. er

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