Begegnung mit einer zauberhaften Welt

Experiment gelungen: Die europäisch-chinesische Koproduktion der Oper "Flowers in the mirror" feierte im Grand Théâtre eine überzeugende Premiere. Sie bot eine optisch wie akustisch außergewöhnliche Begegnung mit einer fremden Kultur.

 Optische Opulenz zeichnet die China-Oper aus. Foto: Theater

Optische Opulenz zeichnet die China-Oper aus. Foto: Theater

Luxemburg. (DiL) Ein poetisches Spiel der Lichter und der Farben, dazu höchste Deklamations-Kunst und eine mit ungeheurer Präzision ausgeführte Mischung von Musik, Schauspiel und Körpertheater: Dem staunenden Publikum im Grand Théâtre bot sich ein begeisterndes, wenn auch fremdes Theater-Erlebnis.

Etwa um das Jahr 1800 herum schrieb der berühmte chinesische Dichter Li Ju Chen seine Geschichte um die Welt der Götter und jene der Sterblichen, zu der der gebildete Tang Ao gehört. Die Karriere des hohen Beamten wird von den Mächtigen jäh geknickt, er begibt sich auf eine lange Wanderschaft, um zu sich selbst zu finden. Dabei begegnet er den merkwürdigsten Gestalten, aber auch einer aus der Welt der Unsterblichen verstoßenen Feen-Göttin.

Das böte Stoff für eine tief lotende Auseinandersetzung mit der Philosophie des Taoismus, aber auch genügend Möglichkeiten, Bezüge zur aktuellen politischen Situation herzustellen. Der französische Regisseur Charles Tordjman widersteht beiden Versuchungen und lässt das Märchen ein Märchen sein, mit blühender Naivität, die aber gekonnt gemildert wird durch mancherlei Augenzwinkern.

Die Welten, durch die Tang Ao wandert, sind mal bedrohlich, mal skurril: Menschen mit doppelten Gesichtern, Gesellschaften, in denen die Rollen von Männern und Frauen vertauscht sind. Das ist packend, bisweilen komisch, aber vor allem zieht es den Betrachter fast magisch in die Handlung hinein.

Das hat mit der faszinierenden Bilderwelt auf der Bühne zu tun. Die prächtig-traditionellen Kostüme von Peng Dinghuang und Nana Wan treffen auf Vincent Torjmans europäisch-abstraktes Bühnenbild, mit Wolken, die an Bienenwaben erinnern, leuchtenden Farben und Laser-Effekten (Licht: Christian Pinaud). Ein sechsköpfiges Orchester, aus dem die chinesische Laute und die Rhythmus-Instrumente herausstechen, liefert den Soundtrack für das Geschehen und die Begleitung für die einzelnen Lieder. Gesungen wird gar nicht so viel. Oder umgekehrt: Gesungen wird eigentlich permanent, weil die Sprechtexte in höchst kunstvoller Stilisierung deklamiert werden. Wer genau hinhört, kann feststellen, wie exakt die (für europäische Ohren bisweilen schrille) Stimmführung die Charakterisierung der Person wiedergibt. Und wer es schafft, sich die "Arien" in andere Tonarten zu denken, der landet schon mal beim Blues. Unnachahmlich ist die Mixtur aus Akrobatik, atemberaubend schnellem Maskenspiel und allerlei Kunststücken, die aber stets in die Handlung eingebunden werden und nie nach Zirkus-Spektakel riechen.

Nach einer furiosen Zugabe am Ende langanhaltender, überaus herzlicher Beifall, auf den die gut 20 Akteure nicht minder herzlich reagierten. Bevor die Produktion auf Tour geht, besteht heute Abend ein letztes Mal in Luxemburg die Chance zur Begegnung mit einer zauberhaften Welt.

Info: www.theatres.lu.

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