Beglückende Liebeserklärung und ungestüme Burschen

2008 würde Johannes Brahms 175 Jahre alt werden. Diesem Anlass widmete Christian Elsas seinen Klavierabend im Kloster Springiersbach. Dass es ein langer Abend wurde, merkte man erst am Ende, beim Blick auf die Uhr.

 Trotz Überlänge wurde dem Publikum das Klavierrezital mit Christian Elsas nicht lang. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Trotz Überlänge wurde dem Publikum das Klavierrezital mit Christian Elsas nicht lang. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Springiersbach. (gkl) Wenn Christian Elsas zu einem Klavierrezital einlädt, muss man Zeit mitbringen. Mit den üblichen 90 Minuten, die ein Konzert dauert, kommt man nicht hin. Das liegt daran, dass Elsas nicht nur spielt, sondern seinem Publikum auch immer Erläuterungen zu den Werken und zu seiner Interpretation gibt. Auch wenn das nicht bei jedem Musikfreund auf Gegenliebe stößt, macht es doch Sinn und, auch das soll gesagt werden, ist es ein reizendes Kennzeichen dieses Pianisten, der manchmal im ganz positiven Sinne den Anschein eines zerstreuten Professors hinterlässt. Im romanischen Saal des Klosters Springiersbach ist Elsas ein regelmäßiger und gern gesehener Gast. Sein jüngstes Rezital hatte er dem 175. Geburtstag von Johannes Brahms gewidmet, den die Musikwelt in diesem Jahr feiert.Wer hier aber jetzt erwartete, dass nur Musik des Hamburger Meisters erklingen würde, sah sich getäuscht. Elsas stellte die Freundschaft zwischen dem Ehepaar Clara und Robert Schumann mit Brahms in den Mittelpunkt. Auf seinem Programm fanden sich die Kinderszenen, Opus 15, und der Carnaval, Opus 9, von Robert Schumann, und als Finale nach der Pause die gewaltige Sonate f-Moll, Opus 5, des Jubilars. Sie war zugleich die Hommage an Clara, der Brahms dieses Opus in tiefer Zuneigung gewidmet hatte. Elsas ist ein außergewöhnlicher Pianist, bei dem manches widersprüchlich erscheint. Seine Körpersprache während des Spiels lässt kaum etwas davon erkennen, dass er mit Leib und Seele in die Musik eintaucht. Und doch ergründet er die Tiefen des Notentextes, deutet mit Hingabe aus, wie er das Ansinnen des Komponisten verstanden hat. So konnte dem Publikum tatsächlich warm werden, als er sich "Am Kamin" der Kinderszenen widmete, konnte man im Carnaval tatsächlich die Schmetterlinge übermütig tanzen sehen.Die fis-Moll Sonate, verfasst von einem gerade einmal 20-Jährigen, hat gewaltige Züge, die eher an eine große Sinfonie denn an ein Klavierwerk erinnern. Sie fordert den Pianisten zur Gänze, den Poeten ebenso wie den Virtuosen, den Techniker wie den Romantiker. All dem konnte Elsas mühelos gerecht werden. Der zweite Satz geriet ihm beglückend schön, dass man sich fast fragen wollte, wer hier eigentlich Clara eine Liebeserklärung unterbreitet. Das Finale war ungestüm, und es hätte nicht verwundert, wenn auf einmal Burschen Einzug in den Saal gehalten hätten. Ein großartiges Konzert, das trotz seiner Überlänge zu keinem Zeitpunkt lang erschien.

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