Mosel Musikfestival Himmlisches vom Kap der Hoffnung

Trier · Der Glaube durch Jahrhunderte hindurch und über Kontinente hinweg: Beim Mosel Musikfestival sang der zwölfstimmige Cape Town Opera Chorus aus Südafrika vor 800 Besuchern das Konzert „Nachts im Dom“.

 Der in farbiges Licht getauchte Dom verstärkte die Wirkung des Chorgesangs.

Der in farbiges Licht getauchte Dom verstärkte die Wirkung des Chorgesangs.

Foto: Hans Krämer

„Grace notes“ sind jene Töne, die im Notensystem deutlich kleiner gedruckt sind und auf Deutsch schlicht „Vorschlagsnote“ heißen. Der Interpret kann damit, salopp gesagt, machen, was er will – ein Vorschlag eben. „Grace Notes“ können, frei übersetzt, aber auch eine Art Dankgebete sein. Und als solches war denn auch das Konzert zu verstehen, das der Cape Town Opera Chorus im Trierer Dom gab.

„Ist es nicht fantastisch“, freute sich eine Besucherin, „den Dom an einem ganz normalen Donnerstag und zu dieser Stunde so voll zu sehen?“ In der Tat: Das Kirchengebäude war so gut besucht – rund 800 Zuhörer nach Informationen des Veranstalters –, wie man es gemeinhin nur zu Weihnachten und Ostern erleben kann. Ihnen wurde eine Art Gottesdienst der besonderen Art geboten – von einem zwölfstimmigen Chor, sechs Damen, sechs Herren, von denen jede/r auch als Solist eine wahrhaft glänzende Figur machte. Die religiösen Gesänge, die dem Gläubigen getreu dem Motto des diesjährigen Festivals spirituelle „Heimat(en)“ sein können, umfassen Jahrhunderte und Kontinente, Stimmungen und Stilrichtungen, die die Interpreten unter der sehr dezenten, aber ­nachdrücklichen und präzisen Leitung von Marvin Kenelle mit geradezu lässiger Souveränität meisterten.

Der Bogen erstreckte sich von der Renaissance (Palestrinas „Sicut Cervus“) über die Anfänge des Barock (William Byrds „Ave Verum“) bis zur 2011 uraufgeführten Kantate „Even when he is silent“ des 1980 geborenen norwegischen Kirchenmusikers Kim Arnesen, die auf anrührende Weise von unerschütterlichem Glauben kündet („Ich glaube an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint / Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht fühle / Ich glaube an Gott, auch wenn er schweigt“). Soweit der abendländische Teil, in dem auch Bruckner, Bach natürlich (in einer Bearbeitung des ebenfalls aus Norwegen stammenden Knut Nystedt) und Arvo Pärt zu Gehör kamen.

Und zwischendurch entführten die Sänger/innen das fasziniert lauschende Auditorium immer wieder in ihre eigenen exotischen Heimaten.

Gesänge in den Sprachen der Zulu und Sotho standen in ihrer intensiven Gläubigkeit den europäischen Werken in nichts nach (eine vollständige Übersetzung der Texte im Programmheft abzudrucken wäre eine nette Hilfestellung gewesen). Doch auch ohne die Worte zu verstehen vermittelte sich im Gesang (und Tanz) die Begeisterung und Passion derjenigen, die sich in ihrem Glauben geborgen fühlen können. Und verdeutlichte, was Festivalleiter Tobias Scharfenberger in seiner Begrüßungsansprache sagte: Dass alle Unterschiede letztlich unwichtig werden, wenn es um die friedfertige Spiritualität der Völker geht.

Emotionaler Verstärker des Gehörten war natürlich der Ort der Präsentation, der mit Farbenspiel und Gesang der stimmstarken Chorsolisten zu einem geradezu überirdischen Klangerlebnis machte – ein Effekt, der noch gesteigert wurde, als sich die zwölf für Nystedts „Immortal Bach“ im Kirchenschiff verteilten und die Musik von allen Seiten erschallte. Wie der sehr lang anhaltende Beifall am Ende.

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