Beklemmende Intensität

Luxemburg · Eine Abend der Superlative in der ausverkauften Philharmonie: Ute Lemper schlug mit kleiner Besetzung einen großen Bogen vom Tango über die Dreigroschenoper und den blauen Engel bis hin zu Cabaret und Jacques Brel. Intensität statt Show und Glamour, eine Sängerin im Dienst der Musik.

 Beeindruckend: Chanson-Sängerin Ute Lemper. Foto: Philharmonie

Beeindruckend: Chanson-Sängerin Ute Lemper. Foto: Philharmonie

Luxemburg. Das Konzert beginnt fast überfallartig: "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" und "Lili Marleen", zwei Tophits auf nüchternen Magen, die Zugaben gleich als Hors d\'oeuvre. Einen Moment lang glaubt man, Ute Lemper wolle nur das Unvermeidliche gleich am Anfang erledigen, aber die Reihenfolge entpuppt sich später als durchdachte Dramaturgie. Die erste Hälfte des Konzerts erzählt entlang der Songs die imaginäre Geschichte einer jungen Frau, die aus dem rauschenden Berlin der frühen 30er Jahre vor den Nazis fliehen muss, erst nach Paris, dann nach Argentinien, in das Land des Tangos. So wachsen Sängerin und Publikum gemeinsam in das Programm hinein, machen bei Brechts Tango-Ballade und Piafs "L\'Accordéoniste" Station, bereisen Weills Utopie-Land "Youkali", bevor sie bei Astor Piazzollas wunderbar-vertrackten Tangos landen, die Tito Castro mit stoischer Ruhe am Bandoneon zelebriert.
Immense vokale Fähigkeiten


Ein stetiger Anstieg der Spannung, eine Demonstration von Lempers immensen vokalen Fähigkeiten, die Genre-Grenzen überschreiten - und sogar eine phänomenale Trompeten-Imitation einschließen.
Ist in der ersten Hälfte vielleicht manchmal noch eine Spur zu viel Pose, wird es danach fast beklemmend intensiv. Brels wenig bekanntes Chanson "La Colombe" gerät zu einem packenden, ausdrucksvollen Höhepunkt des Abends, es folgen zwei sehr eigenständige, künstlerisch ebenbürtige Interpretationen von "Amsterdam" und "Ne me quitte pas", letztere buchstäblich dahingehaucht. Das ist Filigranarbeit in enger Abstimmung mit dem Pianisten Vana Gierig, und die dazwischen getupften Bandoneon-Einsprengsel wirken, als hätte Brel sie dafür gedacht.
Vom Tango kommt die Lemper etwas ab, Piazzollas "Preludio", von ihr in eine Liebeserklärung an "ihre Städte" New York und Berlin verwandelt, setzt einen letzten starken Akzent.
Dann findet sie doch noch ihren Koffer in Berlin, verquickt Cabaret mit dem Mond von Alabama, mischt kunstvoll Andeutungen anderer Titel darunter, streift den Jazz, pfeift (!) mit dem Publikum gemeinsam die Ballade von Mackie Messer - ohne dass das eine Spur musikantenstadelig wirkt.
Für die Zugabe fragt sie beim Publikum nach, was gewünscht wird. Die Qual der Wahl ist eine blanke Gemeinheit, möchte man doch am liebsten von allem noch etwas hören. Man verständigt sich auf Piaf, es folgt eine mitreißende "Milord"-Fassung. Gibt es etwas, was Ute Lemper nicht kann?

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