Berg und Disco rufen

LUXEMBURG. Sphärische Klänge, Elektro-Beats und eine verführerische Stimme: Die englische Band Goldfrapp hat im Luxemburger Atelier bewiesen, dass man es innerhalb von ein paar Minuten aus der Großstadt-Disco auf einen Alpen-Gipfel schaffen kann - ohne dabei einen Meter gehen zu müssen.

Szene eins: Freitagabend im angesagten Club, irgendwo in London. Die blonde Disco-Schickse im schwarz-roten Minirock bahnt sich den Weg von der Bar zur krachvollen Tanzfläche, verschüttet dabei ihren Mojito, flucht. Aus den Boxen dröhnt ein knarziger Keyboard-Bass, begleitet vom Elektro-Beat und einer lasziven Frauenstimme: "stop, oh off the train..." Es riecht nach Schweiß, Rauch, Sex. Szene zwei: Wie hat die blonde Frau bloß so schnell das Matterhorn erklommen? Da steht sie, ganz allein in der Dunkelheit, und haucht seltsam sehnsüchtig "Uuuu-tooo-pi-a" in den kalten Abendwind. Kein Echo, kein Cocktail, keine Antwort. Die Welt ist weit weg. Aber wo kommen eigentlich die sphärischen Klänge her? "Mach mal die Augen auf, du siehst ja gar nicht, was passiert" - ein Stoß von der Kollegin, und schon kracht das Matterhorn ein. Auf der Bühne im Luxemburger Atelier steht Sängerin Alison Goldfrapp - mal Unschuld vom Berge, mal Disco-Queen - und schickt die Zuschauer (und Zuhörer) auf die Reise. Sie lässt die Zunge kreisen, haucht gelegentlich ins Mikro, spielt mit ihrer Stimme. Goldfrapp ist mit dem neuen Album das Risiko eingegangen, alte Fans zu verprellen - aber das war gut so. Black Cherry hat mit dem sehr erfolgreichen Debüt "Felt Mountain" (2000) musikalisch praktisch nichts mehr zu tun. Statt auf leisen, langsamen Trip Hop setzen die Engländer verstärkt auf Disco-Sounds. Da schimmern ein paar Kraftwerk-Einflüsse durch, mal klingt es nach 80er-Synthiepop. Film-Komponist und Keyboarder Will Gregory hat seiner Sängerin Alison Stücke auf den Leib geschneidert, die zu ihr passen wie der Falten-Minirock, und die glänzenden roten High Heels. Beim 80-minütigen Konzert in Luxemburg verträgt sich die Mischung aus alten und neuen Liedern: Es gibt keine Brüche, sondern Abwechslung. Alisons verführerische Stimme hält die unterschiedlichen Stücke - in der Disco macht sich die Sängerin ebenso gut wie auf dem Berg.

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