Bestsellerautor Daniel Kehlmann: Inspiriert von Figuren, Familie und einem Film

Wittlich · Daniel Kehlmann, Autor des Weltbestsellers "Die Vermessung der Welt", kommt zum Eifel-Literatur-Festival nach Wittlich. Im Eventum stellt er am Freitag, 6. Juni, seinen neuen Roman "F" vor.

Wittlich. In Daniel Kehlmanns Roman "F" geht es um die Geschichte dreier Brüder, eines ungläubigen Priesters, eines betrügerischen Finanzberaters und eines Kunstfälschers. Im TV-Interview mit unserer Mitarbeiterin Anke Emmerling hat der Autor über sein Buch gesprochen.

Was hat Sie zu "F" inspiriert? Aktuelle Vorkommnisse wie Bankenkrise und Kunstfälscherskandal oder eher Ihr Eindruck von einer gesamtgesellschaftlichen Befindlichkeit?
Daniel Kehlmann: Es waren die Figuren. Kunstfälscherskandale zum Beispiel gibt es immer, jetzt ist einer besonders in den Schlagzeilen, vor einigen Jahren war es ein anderer, davor wieder ein anderer. Kunst wird gefälscht, seit es teure Kunstwerke gibt, daran ist nichts Aktuelles.

Haben diese Figuren konkrete Vorbilder oder stehen sie symbolisch für die drei Bereiche Kapital, Kirche und Kunst?
Kehlmann: Weder noch. Was symbolisiert zum Beispiel ein eigentlich guter Priester, der es nicht fertigbringt, an Gott zu glauben? Das ist einfach ein Problem, vor dem viele Menschen in diesem Beruf, beziehungsweise mit dieser Berufung, stehen. Aber es steht nicht für irgendetwas anderes.

Haben Sie bei Ihren Recherchen tatsächlich mal einem Priester oder Anlageberater über die Schulter geschaut?
Kehlmann: Ich habe ein paar Gespräche geführt, aber ich muss zugeben, das meiste ist frei erfunden.

Figuren wie der Priester und seine Brüder könnten einen Trend zu mehr Schein als Sein symbolisieren. Gibt es den Ihrer Meinung nach heutzutage?
Kehlmann: Einen aktuellen Trend dieser Art kann ich nicht erkennen.

Aber ist es nicht so, dass heute viele Menschen geradezu von Hochstaplern wie Ihren Romanfiguren betrogen werden wollen? Zum Beispiel Anleger, die aus Gier auf unrealistische Renditeversprechen hereinfallen, oder Kunstspekulanten, die mit Namen handeln und daher ein gefundenes Fressen für Fälscher sind?
Kehlmann: In der Kunst ist es tatsächlich so, dass buchstäblich niemand ein ökonomisches Interesse an der Aufdeckung von Fälschungen hat. Man kann also durchaus sagen, dass die Menschen betrogen werden wollen. In der Finanzwelt wollen die Anleger natürlich nicht betrogen werden, aber sie glauben zu leicht den sogenannten Profis, die oft erstaunlich inkompetent und ahnungslos sind. Wenn man sich ein wenig damit beschäftigt, ist die erste, für mich wirklich überraschende Entdeckung die, wie wenig kompliziert die Dinge eigentlich sind, wie leicht zu verstehen im Grunde, und wie unsolide in vielen Fällen.

Der Titel Ihres Buches "F" wird als Synonym für Fälschung, Familie oder Fatum gedeutet, für was steht er genau?
Kehlmann: Es ist der Name der Familie, um die es geht, und es ist der Anfangsbuchstabe des Wortes "Familie" selbst. Das Buch ist sozusagen ein zerstückelter Familienroman, da dachte ich, von dem großen Wort bleibt gerade noch der erste Buchstabe übrig. Außerdem ist es eine verehrungsvolle Anspielung auf Orson Welles' letzten Film.

Welche Rolle hat für Sie die Familie?
Kehlmann: "Wer sich in Familie hinein begibt, kommt darin um", schreibt der österreichische Schriftsteller Doderer. Und da jeder sich in Familie hinein begibt - man hat ja keine Wahl, man wird schon in einer geboren - formt sie wohl oder übel das Leben jedes einzelnen Menschen.

In Ihrem Buch spielen unerklärliche Phänomene eine große Rolle. Glauben Sie an übergeordnete Kräfte oder an Vorherbestimmung?
Kehlmann: Nein. Aber ich glaube auch nicht an Gespenster und fürchte sie trotzdem. ae
Extra

Daniel Kehlmann liest als Gast des Eifel-Literatur-Festivals am Freitag, 6. Juni, um 20 Uhr im Eventum Wittlich. Karten gibt es im TV-Service-Center in Trier, unter der TV-Tickethotline 0651/7199-996 sowie unter www.volksfreund.de/tickets

Informationen über das Festival unter www.eifel-literaturfestival.de

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