Besucherschwund, Bilderklau und Frackzwang

Rechtzeitig zum Finale der Bayreuther Festspiele ist nun auch offiziell verraten worden, wer ab 2013 den nächsten "Ring"-Zyklus dirigiert: Wie erwartet, erhält der junge Russe Kirill Petrenko die höchste Weihe der Opernwelt.

Vor zehn Jahren hatte er mit einem "Ring"-Dirigat im kleinen Meiningen seine Weltkarriere eröffnet.

Wer inszeniert, bleibt weiter offen - möglicherweise wird es erstmals in Bayreuth mehrere Regisseure für die vier Ring-Opern geben. Die Ring-Inszenierung von Tankred Dorst wurde am Mittwoch verabschiedet - das Bedauern hielt sich in Grenzen.

Auf dem Grünen Hügel war wie immer alles ausverkauft, in Bregenz sorgte das Wetter bei den See-Festspielen für einen Besucherrückgang: Gab es im letzten Jahr noch 200 000 Besucher für Verdis Aida unter Baukränen, dürften bis zum Finale am Sonntag rund 145 000 Zuschauer den Weg auf die Seebühne gefunden haben. Unterm Strich war es trotzdem die meistbesuchte Opernproduktion aller Zeiten. Im nächsten Jahr ist man wagemutig: Mit dem Revolutions-Drama "Andrea Chenier" von Umberto Giordano kommt ein nicht ganz so populäres Stück.

Auf Populäres setzt die Bochumer "Ruhrtriennale" grundsätzlich selten. Diese Woche wurde sie gemäß dem Themenschwerpunkt "Islam" mit dem altpersischen Epos "Leila und Madschnun" eröffnet, prominent in eine deutsche Textfassung übertragen (Albert Ostermaier), nicht minder prominent von Triennale-Chef Willy Decker in Szene gesetzt. Philosophie, Islam, Liebe, Krieg, Spiritualität: Man wollte viel unter einen Hut bringen, in Kombination mit einer Komposition von Samir Odeh-Tamini. Glaubt man der Kritik, gelang das nur sehr begrenzt: Das Stück fand eher mäßige Aufnahme. Die dpa notierte gar "höflichen Applaus für einen Rohrkrepierer".

Als rauschender Erfolg erwies sich hingegen das Ballett "Out of context for Pina" von Alain Platel. Es wurde diese Woche in einer Kritikerumfrage zur "Produktion des Jahres 2010" gewählt. Das Grand Théâtre in Luxemburg hatte wieder mal einen guten Riecher: Platel war mit seiner Produktion im Juni dort zu sehen. Choreograph des Jahres wurde Martin Schläpfer, früher in Mainz und seit einem Jahr am Düsseldorfer Haus.

Die gute Kultur-Nachricht der Woche kam aus Kairo: Dort tauchte das bereits zum zweiten Mal gestohlene, auf 40 Millionen Euro taxierte "Mohnblumen"-Gemälde von Vincent van Gogh einen halben Tag nach dem Raub aus einem Kunstmuseum am Flughafen wieder auf. Es soll bald wieder Publikum anlocken.

Ob Letzteres dem Theater Koblenz mit einer neuen Strategie gelingt, darf hingegen bezweifelt werden. Man teilte den geneigten Theaterbesuchern mit, zu den drei Saisoneröffnungspremieren sei "festliche Kleidung erwünscht". Nun sind das kleine Schwarze und der Smoking von jeher im Theater nicht verboten, aber dass man das Publikum unter Druck setzt, vornehm aufzukreuzen, ist denn doch seit den 50er Jahren nicht allzu oft vorgekommen. Womöglich ist das ja ein besonders perfider Regietheater-Trick, um den Kontrast zwischen den immer trashigeren Bühnen-Ausstattungen und dem spießbürgerlichen Publikum zu entlarven. Einen Frackzwang gebe es freilich nicht, betont Intendant Markus Dietze, niemand werde weggeschickt, wenn er in Jeans erscheine. Danke! So bleibt das deutsche Stadttheater denn ein Hort der Toleranz. Dieter Lintz

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