Betörende Bilder und philosophische Tiefe

Als Erzähler, der mit seiner Sprache Bilder von farbiger Leuchtkraft malt, präsentierte sich Christoph Ransmayr beim Eifel-Literatur-Festival im Bitburger Haus Beda. 250 Zuhörer zog der mehrfach preisgekrönte Literat mit seiner Lesung aus dem Roman "Der fliegende Berg" in seinen Bann.

 Mit seiner brillanten Sprachgewalt faszinierte Christoph Ransmayr beim Eifel-Literatur-Festival in Bitburg. TV-Foto: Anke Emerling

Mit seiner brillanten Sprachgewalt faszinierte Christoph Ransmayr beim Eifel-Literatur-Festival in Bitburg. TV-Foto: Anke Emerling

Bitburg. Sein erster Roman "Die letzte Welt" (1988) war ein spektakulärer Erfolg und verschaffte Christoph Ransmayr den Sprung "vom Geheimtipp zum Logenplatz im Olymp der Literatur", den er bis heute beibehalten hat. Die zitierte Formulierung stammt von Josef Zierden, dem Initiator des Eifel-Literatur-Festivals, der sich sichtlich freute, seinem Publikum eine persönliche Begegnung mit dem immer wieder mit wichtigen Literaturpreisen ausgezeichneten Autor zu ermöglichen.Ein nicht ganz leichtes Unterfangen, denn der gebürtige Österreicher Ransmayr lebt in Irland und ist den größten Teil des Jahres mit seinem Freund Reinhold Messner in allen Teilen der Welt unterwegs. Direkt aus Westchina war er nach Bitburg ins Haus Beda gekommen und gewann die Zuhörer schon zu Beginn seiner Lesung mit dem Bekenntnis, dass Vortragen für ihn zu den emphatischen Vorgängen gehöre: "Es ist eine archaische Erfahrung des Erzählers, mit dem Publikum versammelt zu sein und festzustellen, ob es ihm in seine Räume folgt."

Damit hatte er zwei für den Inhalt seines Vortrags charakteristische Stichworte geliefert. Denn vom ersten Wort an entführte der studierte Philosoph und Ethnologe in geschickt verwobene unterschiedliche Räume, zeitlich, geografisch, kulturell wie mythologisch und stieß dabei immer wieder in Tiefen archetypischer Muster vor. Mit "Der fliegende Berg" erzählte er die Geschichte um zwei in Irland lebende Brüder, die aus ihrer modernen digitalen Welt buchstäblich von der Null-Linie des Meeresspiegels aufbrechen, um den letzten weißen Fleck auf der Landkarte, einen der höchsten Gipfel in Osttibet, zu entdecken. Sie begegnen dabei der existenziellen Wirklichkeit von Natur, Liebe und Tod, der Zuhörer oder Leser dem Ur-Motiv des "Wanderers" in unterschiedlicher Gestalt. Die Suche nach dem Glück treibt nicht nur die Brüder, sondern auch Nomaden, die ihre Weidegründe verlagern, oder irische Auswanderer, die Statussymbole zum Beweis ihres Erfolgs in der Fremde vorweisen.

Ransmayr zeichnet damit eine Parabel der allgemeinen menschlichen Entwicklung, die ihren Erfolg im Fortschritt, dem Gipfelsturm sieht, stellt genau den aber im Aufeinanderprallen der Welten in Frage. Dafür bedient er sich einer Sprachgewalt, die ihresgleichen sucht. Er malt betörende bis verstörende metaphorische Bilder wie das von den Apollofaltern, die zu hoch geflogen, in eisigen Luftschichten erfroren nun in "gläsernen Särgen" liegen. Er beschreibt so plastisch und detailgenau, dass man meint, das Rauschen des Atlantiks oder das Knirschen der Bergsteigerkrallen auf dem Eis zu hören. Aus der Sprache, weniger aus der Handlung entwickelt sich höchste Spannung. Seinen Text, der gedruckt optisch die Form der tibetischen Gebetsfahnen zitiert, trägt Ransmayr meist frei und mit direktem Blickkontakt zum Publikum vor. Das Bild des begnadeten Erzählers runden ausdrucksstarke Betonung und Gestik ab. So sehr das alles im Moment des Zuhörens fasziniert, erst im Nachhall wird klar, wie viel Elementares man gehört hat, zum Beispiel: "Niemand stirbt auf seinem Weg nur ein einziges Mal."

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