Bewegendes Lebenswerk: Nina Hoger liest Texte von Hilde Domin

Schweich · Eindrucksvoll hat die Schauspielerin Nina Hoger bei einer Lesung in der ehemaligen Synagoge Schweich rund 100 Besuchern Einblicke in Leben und Werk der jüdischen Schriftstellerin und Lyrikerin Hilde Domin (1909-2006) vermittelt. Mit feinfühliger musikalischer Umrahmung und Illustration stand ihr das Wuppertaler Klezmer-Ensemble Noisten zur Seite.

 Nina Hoger. TV-Foto: Anke Emmerling

Nina Hoger. TV-Foto: Anke Emmerling

Schweich. "Nur eine Rose als Stütze", den Titel eines 1959 erschienenen Gedichtbands von Hilde Domin hat Nina Hoger für ihr Programm übernommen. Denn er hat in zweierlei Hinsicht Bedeutung für das Leben der 1909 geborenen jüdischen Autorin: "Nur eine Rose als Stütze" war das Buch, das ihren Ruhm als Lyrikerin begründete - nie zuvor hatte sie Verse geschrieben. Und das gleichnamige Gedicht beschreibt eindringlich die Gefühlslage eines Menschen, der sich nach Verwurzelung sehnt, aber nur einen fragilen Halt, symbolisiert durch eine Rose, findet. Wie sich beides erklärt, vermittelt Nina Hoger in einem aus biografischen Stationen und ihnen zugeordneten Lyrik- und Prosatexten sehr plastisch gezeichneten Porträt.
22 Jahre im Exil


Es beginnt mit Domins Erziehung in einem gebildeten, wohlhabenden Elternhaus. Sie legt den Grundstein für freiheitliches Denken und Handeln, das Hilde Domins Leben prägt und letztlich auch rettet. Denn den politischen Realitäten ins Auge blickend geht die Jura-, Ökonomie- und Soziologie-Studentin 1932 mit ihrem zukünftigen Ehemann nach Rom. Es ist die erste Station eines 22-jährigen Exils, das sie unter anderem in die Dominikanische Republik führt, wovon sich ihr Künstlernamen Domin ableitet.
Nina Hoger stellt klar heraus, wie sehr das Thema Heimatlosigkeit Domin beschäftigt. Konzentriert und ruhig, mit einer Stimme, die dem geschriebenen Wort Tiefe und Nachhall gibt, liest sie dem andächtig lauschenden Publikum beispielsweise vor: "Zuhause sein, wo es auch sei, sich niedersetzen können und anlehnen, als sei es an das Grab unserer Mutter ...".
Als ihre Mutter 1951 stirbt, steht Domin kurz vor dem Selbstmord. Sie fängt an zu schreiben. "Ich hatte plötzlich die Sprache, der ich so lange gedient habe. Ich habe mich durch sie befreit." Diese Sprache ist, was Nina Hoger so an Hilde Domin fasziniert: "Sie ist analytisch und präzise, knapp und doch gewaltig im Ausdruck." Auch Domins Persönlichkeit schätzt sie: "Ich bewundere, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nicht anklagt." Vielleicht ist es diese innere Verbundenheit zu Domin, die Hogers Lesung so starken Ausdruck und den Zuhörern das Gefühl echter Teilhabe gibt. Richtig rund wird die Lesung durch die musikalische Begleitung des Ensembles Noisten. Reinald Noisten (Klarinette), Claus Schmidt (Gitarre), Shan-Dewaguruparan (Tablas) und Andreas Kneip (Bass), zaubern mit zarten, wehmütigen und lebensfrohen Klezmerklängen immer die richtigen Stimmungen, setzen die Worte in musikalische Bilder um. ae

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