Bissig, frech und politisch unkorrekt

TRIER. Drei Männer, drei Mikros und die Trierer Tufa voller kreischender Fans: Die Titanic Boygroup begeistert mit mundverlesenen Satire-Texten, hustenverzerrter Stimme und einer Lichtbildschau im Rückblick auf 25 Jahre Satire-Zeitschrift "Titanic".

Keine Gnade, kein Respekt und irrwitzig arrogant - eine Mischung, die "Deutschlands verbotenste Satirezeitschrift" (taz) Titanic seit 25 Jahren am Markt hält. Und so erfolgreich ist, weil sie sich erst gar nicht die Mühe macht, jemandem nicht auf die Füße zu treten. Wenn man auf die Referenzliste des ehemaligen Chefredakteurs Oliver Maria Schmitt, des heutigen Chefredakteurs Martin Sonneborn und des Chefpoeten Thomas Gsella schaut, so haben sie nicht nur "Zonen-Gabi" aus Ostdeutschland nach dem Mauerfall zur "ersten Banane" alias einer Gurke verholfen und Helmut Kohl mit 100 Titelmotiven ("Birne") an die Macht gebracht, sondern sich eben so lange obenauf gehalten wie der Papst. "Wobei wir wissen, dass es uns im Januar noch gibt, bei Karol Wojtyla weiß man das nicht", sagt Schmitt, der "Pilot der guten Laune" an diesem humoresken Abend ("Mein fliegerisches Vorbild ist Mohammed Atta"). Der hat sein Handwerkszeug mal als Hospitant in der Wittlicher TV -Redaktion gelernt und kommt gerne in die Heimat seiner "Lieblingssatire" zurück, in die "herrliche Stadt in der Nähe von Wasserbillig". Links Rotweinglas, rechts Dia-Fernbedienung, zappt Schmitt durch ein Vierteljahrhundert schonungslosester Satire mit Roberto Blanco als Bundespräsidenten-Kandidat ("Warum nicht mal ein Neger?") und Frankfurt im "Flippers"-Wahn ("Als die Mädels in der ersten Reihe geboren wurden, war die Eifel noch flach") - schallendes Gelächter in der ausverkauften Trierer Tufa. Besinnlicher und persönlicher geht "Ruhrpott-Poet" und Chefdichter Thomas Gsella vor, der seine Tagesfreizeit mit der Bedienungsanleitung des Handys oder dem Verfassen sinnfreier Gedichte verbringt, die seine Verleger in den Ruin treiben ("Ich bin hierhin zwangsentsandt"). Besonders die Geburt seiner Tochter scheint es dem erkältungs-heiseren Kettenraucher angetan zu haben. Ein Beispiel seiner Kreativität in Abwandlung eines Erich-Kästner-Spruchs: "Es gibt nichts Lautes, außer man haut es." Die Titanic-Autoren packen aber auch mit an, damit's mit Deutschland aufwärts geht, berichtet Martin Sonneborn. Der hat sich mal erfolglos als Sportkommentator versucht, mal Ostdeutschland "tadellosen Polenstrom" untergejubelt - doch bleibt er Titanic-Gründer Chlodwig Poth verpflichtet: "Die endgültige Teilung Deutschlands - das ist unser Auftrag". So wirbt er für seine Partei "Die Partei". "Wir wollen die Mauer wieder aufbauen - auch für die ruinierten Randgebiete hier im Westen", sagt er. Immerhin gut drei Stunden haben Schmitt, Sonneborn und Gsella die Werbetrommel für sich gerührt - eine kurzweilige Zeit, das Lachereignis des Jahres. Der Unterstützung für ihre Absurditäten können sie von Trierer Seite jedenfalls sicher sein, wie Applaus und Zugabe bestätigen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort