Brauner Herbst

Bitburg/Kerpen · Die Eifel verdankt Fritz von Wille ihre Bekanntheit. Umgekehrt verdankt der Landschaftsmaler der Eifel sein Lebensthema. Er machte ein Vermögen mit Bildern von hier, konnte sich davon sogar eine eigene Burg leisten. 75 Jahre nach seinem Tod bekommt das Wille-Bild Risse. Wie nah stand der Maler dem Nazi-Regime?

Brauner Herbst
Foto: Antiquariat Peter Fritzen, Trier

Bitburg/Kerpen. Wer war Fritz von Wille (1860-1941)? Der Eifelmaler ist am besten in Bitburg zu erleben, wo das Museum im Haus Beda ungefähr 80 seiner Gemälde bewahrt, die von Werken anderer Eifelkünstler ergänzt werden. Viele Wille-Bilder befinden sich außerdem verstreut und verborgen in Privatbesitz, denn sie sind begehrte Sammlerstücke.
Der Künstler war vor 100 Jahren, im deutschen Kaiserreich, in höchsten Kreisen geschätzt. Kaiser Wilhelm II. äußerte sich bei einem Besuch 1911 in der Eifel über Fritz von Wille mit leichtem Erstaunen: "Ja, Künstler können sich jetzt Burgen kaufen." Seine Verwunderung galt dabei dem gesellschaftlichen Aufstieg einer Berufsgruppe, die über Jahrhunderte den Handwerkern zugerechnet wurde.
Treffpunkt für Nazi-Größen


Als Wolfgang und Thea Merkelbach aus Pelm eine Würdigung des Malers Fritz von Wille zu dessen 75. Todestag lasen (TV vom 16. Februar 2016), waren sie empört. In einem Leserbrief (TV vom 2. März) bedauerten sie, dass die Verbundenheit des Künstlers mit dem nationalsozialistischen Regime meist nicht thematisiert werde. Denn: Fritz von Willes "Rückzugsort" Kerpen sei "in Wirklichkeit zwischen 1932 und 1934 ein offenes Haus" für NSDAP-Mitglieder gewesen, wo "schon 1932 die Weichen für die NS-Herrschaft im Kreis Daun gestellt" worden seien.
Die Landschaftsmalerei war zunächst nicht so angesehen wie die Darstellungen religiöser und historischer Ereignisse oder das Porträt. Die Maler versuchten, ihre Kunst aufzuwerten, indem sie neue Regionen entdeckten. Dafür mussten sie reisen.
Die Eifel: "Preußisches Sibirien"


Fritz von Wille studierte von 1879 bis 1882 an der Kunstakademie Düsseldorf, wo der Aufschwung der Landschaftsmalerei begonnen hatte. Dort hatten die Akademieschüler Carl Friedrich Lessing (1808-1880) und Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863) 1827 den Landschaftlichen Komponierverein gegründet. Von Düsseldorf reisten Schirmer und Lessing ab 1827 in die Eifel, aus finanziellen Gründen zu Fuß. Sie sind die eigentlichen Entdecker dieser Region, die als "preußisches Sibirien" zu dieser Zeit selbst von den Bewohnern missachtet wurde: "Nirgends wollen die Leute in der Eifel wohnen, überall fängt sie erst drei Stunden weiter an."
Auch Fritz von Wille war sehr viel auf Reisen. 1886 zog es ihn auf den Spuren der frühen Düsseldorfer Kollegen erstmals in die Eifel. Sein Studien- und Wohnort Düsseldorf war ein idealer Ausgangspunkt, wo zahalreiche Kollegen lebten und Künstler so angesehen waren, dass Wilhelm II. 1902 nüchtern konstatierte: "Überhaupt Düsseldorf. Da komme ich nicht gerne hin. Da jubelt man den Künstlern lieber zu als mir."
Fritz von Wille nahm schon 1884, mit 24 Jahren, an der Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste Berlin teil. 1891 konnte er sich auf der "German exhibition" in Earls Court (London) präsentieren und errang eine Auszeichnung. Die Ausstellung war mit über einer Million Besuchern äußerst erfolgreich, auch Kaiser Wilhelm II. und seine Frau besuchten sie. Nun für seine Eifelbilder bekannt, erhielt Fritz von Wille bei Ausstellungen in München, Salzburg und Wien weitere Auszeichnungen. Zahlreiche Museen der Rheinregion kauften jetzt Werke von Willes an. 1906 wurde man auch in Berlin aufmerksam, die Königliche Nationalgalerie Berlin erstand von Willes "Ein Eifelnest" (1900). Der Kaiser erwarb wenig später 1908 auf der Großen Berliner Kunstausstellung das Gemälde "Die blaue Blume", das eine sommerliche Eifellandschaft am Weinfelder Maar (Totenmaar) zeigt und zur Ausstattung seines Jagdschlosses in Cadinen (Ostpreußen) gehörte. Von dem enormen Erfolg dieser Komposition wie des Malers zeugen rund ein Dutzend Wiederholungen, die der Künstler eigenhändig anfertigte.
Fritz von Wille konnte die Eifel in ganz neuem Umfang und Variantenreichtum darstellen, da er seit 1900 Zweitwohnsitze in der Eifel bezogen hatte. Aus dem Naturstudium zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten entwickelte er eine atmosphärische Schilderung der Natur, die nicht mehr romantisch verklärt wurde.
Als von Wille 1911 die Burg Kerpen kaufte, war er auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen wie gesellschaftlichen Möglichkeiten angelangt. Im selben Jahr kam Wilhelm II. nach Daun, um den Kaiser-Brunnen zu enthüllen. Der Künstler wurde dem Kaiser vorgestellt und durfte anschließend am Essen im Hotel Schramm teilnehmen. Fritz von Wille traf genau den konservativen Kunstgeschmack des Kaisers. Dieser verachtete moderne Strömungen als "Rinnsteinkunst". Nach dem Ersten Weltkrieg ging der Kaiser ins Exil. Auch auf den Maler kamen einschneidende Veränderungen zu. Denn Fritz von Wille blieb seiner Kunstauffassung treu, er suchte nicht den Anschluss an moderne Kunstströmungen.
Der Künstler kopiert sich selbst


Nach dem enormen Aufstieg des Malers in der Kaiserzeit wurde es ruhiger um ihn. Davon zeugen auch die Berichte von Privatsammlern, die Gemälde in Naturalien bezahlten, weil der Künstler es so wollte. Zu der schlechten Auftragslage kam noch die Inflation. In den 1920er Jahren verlor die Familie den größten Teil ihres Vermögens. Und während der Künstler zu seinem 70. Geburtstag 1930 noch in zahlreichen Zeitungsartikeln gewürdigt wurde, erschienen zu seinem 75. Geburtstag 1935 nur noch wenige Publikationen, und er war kaum noch in Ausstellungen vertreten.
Die kenntnisreichen Sammler heute schätzen vor allem die Gemälde Fritz von Willes aus der Zeit bis etwa 1915. Damit stehen sie in einer sehr langen Tradition. Denn schon in den 1920er Jahren wiederholte der Künstler beliebte Motive, die aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammten, oder er schuf Varianten mit geringen Abweichungen. Diese alten Kompositionen und Motive waren also bei den Käufern gefragt. Fritz von Wille, der alternde Maler, arbeitete so eigentlich an der eigenen künstlerischen Verflachung mit. Er schien das auch zu erkennen, wenn er nach zahlreichen Wiederholungen der beliebten Ginster-Bilder seufzte, er könne nun keinen Ginster mehr sehen.
In dieser schwierigen Situation versuchte der Künstler, seine Lage zu verbessern, indem er sich den Vertretern der neuen nationalsozialistischen Herrschaft empfahl oder sich von diesen vereinnahmen ließ. Veröffentlichungen zu einzelnen Aspekten gibt es schon seit 20 Jahren. Fritz von Wille gehört weder zur nationalsozialistischen Propaganda noch zu der von dieser als "entartet" diffamierten Kunst. Sondern er bildet mit vielen Künstlerkollegen eine pragmatische Mitte, die sich zeitbedingt anpasste, was sich später zum Beispiel in "Leerstellen" von Künstler-Biografien äußert.
Als rückständig angesehen


Fritz von Wille hat sich nicht widersetzt, als Nazis ein Reichsarbeitsdienstlager nach ihm benannten. Dieses befand sich an der Habscheider Mühle (heute Verbandsgemeinde Prüm). Und als der Maler 1941 beerdigt wurde, inszenierten die Gäste, darunter auch lokale Parteifunktionäre, das als Erinnerung an einen treuen Parteigenossen. Auch das Gästebuch des Künstlers und seiner Familie zeigt, dass sie ab 1932 Gastgeber für lokale NSDAP-Funktionäre waren, die ihre Sympathiebekundungen für die Partei teilweise sogar in Reimform eintrugen. Das Original befindet sich heute in deutschem Privatbesitz.
Einer der hochrangigen Gäste war Hans Walter Kölle, der NSDAP-Kreisleiter für Daun (ab 1938 Daun-Wittlich). Parteifunktionäre wie Kölle nutzten die Gastfreundschaft Fritz von Willes auch zu gemeinsamen Treffen auf der Burg. Der SA-Sturmführer Hellmuth Moll äußerte sich am 6. Oktober 1933 begeistert über die vom Turm der Burg Kerpen wehende Hakenkreuzfahne. Allerdings war kurz davor, durch das Reichsflaggengesetz vom 15. September 1933, die Hakenkreuzfahne zur alleinigen Nationalflagge Deutschlands geworden.
Wille wurde zwar regional hofiert, aber bei den neuen Machthabern auf überregionaler Ebene als rückständig angesehen und entsprechend ignoriert. So nahm er nur noch an regionalen Ausstellungen wie in Mayen, Wittlich und Daun teil, nicht aber auf den "Großen Deutschen Kunstausstellungen" in München ab 1937. Auch zu einer Fahrt von Eifelkünstlern des Kreises Daun 1936 nach Berlin wurde er nicht eingeladen, wo sein jüngerer Kollege, Pitt Kreuzberg, persönlich ein Werk an Joseph Goebbels überreichen konnte. Eine Einnahmequelle tat sich Fritz von Wille ab Mitte der 1930er Jahre bei den sogenannten Weinpatenschaftsbildern auf. Mit diesen Auftragsarbeiten bedankten sich Anbaugebiete wie die Ahr bei ihren Patenkommunen in Nord- und Ostdeutschland für deren Unterstützung. Das Deutsche Reich hatte die Patenschaften veranlasst, um notleidenden Winzern zu helfen. Gefördert wurde so sehr erfolgreich der Absatz des Weins, der zugleich als politische Aufgabe verstanden wurde: Die Winzer wurden dafür zum "rein völkischen Wall", zur "treuen Wacht an der Westgrenze".
Bei Pflichtbesuchen der Ahrwinzer in ihren Patenstädten wurden Gemälde der Ahrorte als Geschenke überreicht. Fritz von Wille, der gute Kontakte nach Neuenahr pflegte, erhielt 1935 durch Vermittlung des Landrats Peter Simmer den Auftrag, mindestens zwölf Landschaftsbilder zu malen. Wie schwer der Maler inzwischen zu kämpfen hatte, enthüllt der "Freundschaftspreis" von 300 Reichsmark pro Bild (das wären heute knapp 2000 Euro), so dass Fritz von Wille den Landrat darum bat, diesen Preis diskret zu behandeln. 1936/37 erschienen Reproduktionen von zwölf dieser Bilder als Kalender, Kunstpostkarten und in einem Bildband.
Private Dokumente fehlen


Viele Auftragsarbeiten von damals sind heute nicht mehr nachweisbar - und viele von denen, die die Nazizeit überstanden, zeigen ein typisches Schicksal von Kunstwerken: Der NS-Kontext wurde nach 1945 unsichtbar gemacht. So wurde die Ansicht "Ahrweiler - Die 700-jährige Rotweinstadt" mit wehenden Hakenkreuzfahnen an Ahrtor und Kirchturm aus den meisten Bildbänden entfernt. In einem Gemälde, das heute in Besitz der Stadtverwaltung Bad-Neuenahr-Ahrweiler ist, wurden sie zu Stadtfahnen in Rot und Weiß retouchiert. Fritz von Wille war daran nicht beteiligt, er starb 1941.
Über die innere Haltung des Künstlers zum NS-Regime ist wenig bekannt. Private Dokumente, die darüber Auskunft geben könnten, fehlen. Derartige Zeugnisse könnten sich in Familienbesitz befinden. Erst ihre Auswertung würde einen Blick darauf erlauben, wie weit der Maler sich aus innerem Antrieb heraus engagiert hat.

Die Autorin Dr. Christiane Häslein
studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie in München und Florenz. Seit 2005 arbeitet sie in Trier in Forschungs- und Ausstellungsprojekten sowie der Kunstvermittlung für Museen und die zeitgenössische regionale Kunstszene.
Extra

Brauner Herbst
Foto: WERNER MERTENS AHRWEILER (g_kultur
 Fritz von Wille. Foto: TV-Archiv

Fritz von Wille. Foto: TV-Archiv

Foto: (e_eifel )
Das Gemälde „Sommertag in Cochem" trägt das Datum 20. Mai 1933.

Das Gemälde „Sommertag in Cochem" trägt das Datum 20. Mai 1933.

Foto: (g_kultur

Diese Ansicht von Cochem zeigt ein längst vergangenes Idyll. Es fehlen Merkmale der Moderne wie Stromleitungen oder Eisenbahn. Stattdessen prägen - rückwärtsgewandt - der Baum im Vordergrund und die Spiegelungen im Wasser die Szene. Ein typischer Fritz von Wille. Der Maler rückt die Natur in den Mittelpunkt. Dabei war ein solches Bild im Frühwerk des Malers durchaus innovativ: Er zeigt die Landschaft "naturwahr", das heißt, er malte vor Ort, in der Natur, und nicht aus der Fantasie, und er wich nicht von den realen Farben ab. Der Künstler wollten die atmosphärischen Bedingungen eines bestimmten Tages im Bild festhalten, sie waren der eigentliche Bildinhalt. Das war in der Zeit zwischen 1880 und 1910 noch etwas Fortschrittliches. Der Stil Fritz von Willes wurde in dieser Zeit geprägt. Der Künstler hielt nach seinen Erfolgen an diesem Stil fest, entwickelte ihn nicht weiter, sondern kopierte im Alter immer wieder sein Frühwerk. Der Malstil ist dabei aber nicht mehr lebendig atmosphärisch aufgelockert, vielmehr setzt der Maler viele gleiche, grobe Pinselstriche nebeneinander und verzichtet auf fein abgestufte Modulierungen in Farbe und Strich. chh

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