„Souvenir“ im Theater Trier Brüllnummer mit großer Leidenschaft
Trier · Im Theater Trier feiert „Souvenir“ Premiere. Die Inszenierung bietet Licht – aber auch viel Schatten.
Dass sich jeder sein eigenes Paradies schafft, ist hinlänglich bekannt. So auch die 1868 geborene Florence Foster Jenkins, mit deren Geschichte das Theater Trier am Samstag die Schauspielsaison eröffnete. Die reiche Erbin aus einer New Yorker Bankiersfamilie begnügte sich nicht mit ihrer Rolle als bekannte Musik-Mäzenin. Völlig untalentiert, träumte sie von einer Karriere als Sängerin.
Unbeirrt folgte sie ihrem Traum, gab zunächst Konzerte im exklusiven New Yorker Hotel Ritz, schaffte es in die Carnegie Hall und veröffentlichte Schaltplatten, bis sie als „schlechteste Sängerin von New York“ Kult wurde, verrissen von der Musikkritik und geliebt von ihren Fans, die sie zum Toben brachte. Getreu nach Beethovens Satz: „Eine falsche Note zu singen, ist unerheblich, aber ohne Leidenschaft zu singen“.
Aus der Geschichte der Frau, die ausgestattet mit Leidenschaft im Überfluss, ebensolchen finanziellen Mitteln und erheblichem gesellschaftlichem Einfluss, sich ihre Parallelwelt schuf, hat der englische Autor Stephen Temperley ein Bühnenstück gemacht. Die 2004 unter dem Titel „Souvenir“ uraufgeführte „Phantasie über das Leben von Florence Foster Jenkins“ gehört seitdem zum beliebten Repertoire gerade des Boulevard Theaters.
Als „Komödie mit Musik“, allerdings ohne Phantasie hat Regisseur Ulf Dietrich, der inzwischen eine Art Hausregisseur des Theaters ist, das Zwei-Personen-Stück in Trier inszeniert. Dabei hat er aus der Geschichte der unerschrockenen Sängerin eine Brüllnummer gemacht, bei der alles plattgewalzt wird, was in ihrem Witz an Wahrheit und Hintergründigkeit steckt. Bettina Neuhaus Bühne liefert dazu den patinierten Charme der 50er Jahre. Mit den Kostümen hat sich Monika Seidl am eindrucksvollen gleichnamigen Film mit Meryl Streep orientiert. Eigentlich ist Temperleys Stück ein kluges, vielschichtiges Stück, in dem das Lachen in bester komödiantischer Tradition ein Lachen der Einsicht ist.
Etwa in die zeitlose Tatsache, dass Geld nicht nur Macht über Menschen schafft, sondern auch die Realisierung von Träumen befördert und Schutzräume errichtet, in denen Realitätsverlust und -verweigerung möglich sind. Oder sollten Letztere gar Grundbedingung beim Festhalten an Träumen sein? Alles Fragen, deren Reflektion in dieser spannungslosen, auf Gaudi ausgelegten Inszenierung untergeht. Als Florence Foster Jenkins ist Barbara Ullman wie ihr Alter Ego „Madame Flo“ vor allem mit großer Leidenschaft unterwegs. Ihre physische Leistung in diesem abendfüllenden Schreitheater verdient fraglos Respekt.
Allerdings fehlt es ihr an Subtilität und Zwischentönen, um schräg, aber nicht schrill zu sein. Stattdessen pendelt sie zwischen Biederkeit und Schreiorgien und verpasst dabei den Grenzgang, der erst den schmalen Grat zwischen Wahn und Wirklichkeit sichtbar macht und in der Komödie die Tragödie offenbart. Dagegen überzeugt Ullmann mit „Mein Herr Marquis“ aus Johann Strauß „Fledermaus“ beim Auftritt in der Carnegie Hall, deren Gelächter aus dem Off eingespielt wird.
Der eindrücklichste Darsteller des Abends ist Jan Walter. Als Erzähler und Klavierbegleiter Cosme Mc Moon schafft der Schauspieler anrührend wie überzeugend und ohne jegliche Theatralik die Entwicklung vom jobsuchenden Jungpianisten zum empathischen Partner, der lernt, im Umgang mit seiner Arbeitgeberin auch das eigene Tun zu hinterfragen.
Und gut Klavier spielen kann er auch noch. Viel zu melodramatisch ist das Schlussbild geraten, bei dem man besser einen Profi hätte singen lassen, um zu erfahren, was „Madame Flo“ im Geiste hört. Wie dereinst die Carnegie Hall war auch das Trierer Premieren Publikum im mit 450 Zuschauern besetzten Saal zum Ende außer sich. Tosender Beifall und Standing Ovations.
Weitere Termine: 7. und 17. September, 19.30 Uhr; 6. Oktober, 18 Uhr; 25. Oktober, 19.30 Uhr