Bühne 1 ohne Bühne

Trier · Sie stehen für moderne Stücke, für experimentelle Darstellungsformen, für gehobenes studentisches Theater: die Gruppe Bühne 1. Seit acht Jahren inszenieren sie einmal in der Spielzeit auf der Studiobühne des Theaters Trier. Außer in der jetzigen. Und so wie es aussieht auch nicht in der nächsten.

Bühne 1 ohne Bühne
Foto: Stefanie Braun (sbra) ("TV-Upload Braun"

Trier. "Diese Szene heißt YouPorn", sagt der studentische Schauspieler zu elektronischen Beats ins Mikrofon. Den Satz mussten die Zuschauer im Studio des Theaters Trier in der vergangenen Spielzeit 2014/15 erst mal schlucken. Die studentische Theatergruppe Bühne 1 inszenierte seit der Spielzeit 2008/09 jedes Jahr ein zeitgenössisches Theatestück im Studio des Theaters, das Stück "Play Loud" war ihr vorläufig letztes in diesem Rahmen. Mit diesem Stück werde man 2016 auf zwei Festivals auftreten, einmal in Frankfurt bei der Sommerwerft und einmal in Köln bei Sommerblut, meint Till Thurner, der Hauptdarsteller. Sie haben sich dafür nicht beworben, sondern wurden eingeladen, ergänzt der Regisseur Michael Gubenko stolz. Das sind nicht die einzigen Neuigkeiten, die die beiden zu verkünden haben. Denn seit wenigen Tagen sind sie nicht nur Regisseur und Schauspieler, sondern Vereinsvorsitzender und -Stellvertreter.Neuorientierung nötig

"Bühne 1 soll ein gemeinnütziger Verein werden," fasst Gubenko zusammen. Verschiedene Umstände haben dazu geführt, dass man sich neu orientieren müsse. Zum einen fällt das Studio des Theaters Trier als Aufführungsort für die studentische Gruppe weg, ebenso wie die Probenräumlichkeiten. Im Studio soll ab der nächsten Spielzeit Theater für Kinder gezeigt werden. Zum anderen sei eine weitere Zusammenarbeit vonseiten des Theaters zwar nicht direkt abgelehnt worden, sagt Thurner, aber eine handfeste Zusage habe es auch nicht gegeben. "Die bisherige Kooperation beziehungsweise der regelmäßige Ablauf, scheint wohl beendet zu sein," resümiert Gubenko. Gespräche hat es gegeben, zu einem Ergebnis haben sie nicht geführt, zumindest nicht zu einem, das eine der beiden Parteien angestrebt hat. Vonseiten des Theaters zeigt man sich offen für eine Zusammenarbeit, allerdings wolle man, laut Intendant Karl Sibelius, keine fertigen Stücke einkaufen. "Wir sind total offen, aber wir können der bühne 1 eben keine Inszenierungen versprechen", sagt Sibelius.Kein Gastspieltheater

Fertige Stücke einzuladen könne man durchaus mal machen, wie mit dem Tanzstück "Booooom" der Trierer Tanzkompanie Noblet Dance Company, aber man sei eben kein Gastspieltheater, sondern eines, das aus eigener Kraft Projekte entwickelt. Gerne gemeinsam und in Kooperation: "Ganz direkt gesagt, möchten wir nicht, dass sich jemand bei uns einen leeren Raum und Scheinwerfer "mietet" und eine fertige Produktion reinstellt. Wir wollen in einen Dialog treten und gemeinsam Sachen erarbeiten, und da ist die bühne1 natürlich eingeladen zu partizipieren." Bühne 1 will nun die Gelegenheit nutzen, um sich neu zu orientieren, unabhängiger zu werden und eigenständig Projekte zu entwickeln, mit denen sie auch nicht nur an eine feste Spielstätte gebunden sind. Sie strebt neue Kooperationen mit der Stadt und der Hochschule an, im Besonderen mit dem Fachbereich Gestaltung. Dazu war allerdings die Gründung eines Vereins nötig: "Wenn man mit einer Institution wie der Hochschule zusammenarbeiten möchte, dann gibt es bürokratische Notwendigkeiten, die man einhalten muss," erklärt Gubenko. Als Privatperson oder studentische Gruppe könne man einer Institution nicht "auf Augenhöhe" begegnen, als eingetragener Verein schon. Von der Hochschule Trier haben sie zudem ein Angebot für einen neuen Probenraum bekommen. Nun sind sie noch auf der Suche nach einem Aufführungsort für ihr nächstes großes Projekt. Mit dem Projekt "Herz_Stück" möchten sie neue Formate für sich entwickeln. "Man stelle sich einen musealen Ausstellungsraum vor, in dem feste "Ausstellungsstücke" gezeigt werden, in dem aber auch Szenen, Musikbeiträge und Filme live passieren", sagt Gubenko Eine Wunschspielstätte hätten sie schon: das ehemalige Café Lübke. Gespräche mit der Stadt und dem Kulturbüro laufen. Extra

1. Wie wird es in der nächsten Spielzeit mit dem Studio konkret weitergehen? Karl Sibelius: Das Studio wird zum Kindertheater umgebaut, zum Teatrierkids. Dort wollen wir für die Kleinsten von drei bis 13 Jahren das ganze Jahr über entweder Stücke in Eigenproduktion zeigen oder in Kooperation mit der Tufa und anderen Partnern. Das Studio wird dafür völlig neu gestaltet, ebenso wie der Eingangsbereich. Die bisherigen Kinderstücke, die auf der großen Bühne gespielt wurden, bleiben weiterhin, wir möchten das Angebot nur erweitern. 2. Die Bühne 1 wird wohl nicht mehr in der gewohnten Weise auftreten können, wird es denn aber weiterhin Zusammenarbeiten mit Studierenden und freien Theaterschaffenden geben? Sibelius: Ja, wir arbeiten ganz intensiv mit Studierenden zusammen. Die Hochschule gestaltet alle unsere Plakate für die nächste Spielzeit, im Sommersemester werden die Studierenden 30 Plakate für uns entwerfen. Wir arbeiten außerdem eng mit der Uni im Bereich Theaterwissenschaft zusammen, da halte ich selbst Vorlesungen. Die Uni Luxemburg macht einen neuen Master-Studiengang gemeinsam mit der Uni Trier auf: Theaterwissenschaft und Interkulturalität. Wir als Theater bieten dabei Praktika an, und ich werde als Dozent tätig sein. Mit der Gruppe Kreuz und Queer machen wir im Rahmen der Sparte 0.1 Projekte. Und seit gestern wissen wir, dass wir als eines von 13 Theatern in ganz Deutschland für eine Doppelpass-Kulturförderung von der Kulturstiftung des Bundes ausgewählt wurden. In dieser soll ein Projekt zum Thema Marx II mit einem ganz jungen Künstlerkollektiv mit 150 000 Euro gefördert werden. Bei Bühne 1 warten wir jetzt auf deren Ideen und Konzepte, treten in den Dialog und sehen dann, ob sich eine sinnvolle Zusammenarbeit ergeben wird. 3. Wie stellen Sie sich dann künftige Zusammenarbeiten mit Studenten oder mit Freien konkret vor? Sibelius: Genau so wie wir es in diesen vielen Punkten bereits machen. Indem wir gemeinsam Konzepte erarbeiten, indem die Gruppen zu uns kommen und ihre Konzepte vorstellen, die auch zu unserem Thema passen, das wir jede Spielzeit setzen, oder indem uns die Künstler so von ihrer Vision überzeugen, dass wir einfach dabei sein müssen und wollen.sbraExtra

 Intendant Karl Sibelius. TV-Foto/Archiv: Friedemann Vetter

Intendant Karl Sibelius. TV-Foto/Archiv: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Die Bühne 1 wird im Herbst mit einer Performance über den heiligen Martin von Tours zu sehen sein. Eine Ausschreibung des Bistums Trier unter jungen Theaterschaffenden haben sie gewonnen. Das Bistum bemühe sich, den heiligen Martin zu aktualisieren und seine Rolle als ‚Kinderheiliger‘ zu erweitern, erklärt Gubenko. Mit ihrer Performance wollen sie in einem öffentlichen Raum im Bistum Trier auftreten und den Heiligen unter modernen Aspekten wie Facebook und modernen karitativen Einrichtungen beleuchten. sbra

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