Bühnenzauber für die Fantasie

TRIER. Zum Ende der Ära Lukas-Kindermann zieht der scheidende Intendant noch einmal alle Register. Mit der Oper "Die unendliche Geschichte" erlebt das Trierer Publikum am Samstag nicht nur eine Uraufführung, sondern auch ein außergewöhnlich aufwändiges, fantasievolles Ausstattungstheater.

Heinz Lukas-Kindermann hat Besuch in seinem gewohnt kreativ-chaotischen Büro am Augustinerhof. An einem Garderobenständer hängt ein hutzliger Gnom, Blätter im Haar, eine kecke Brille auf der Nase, pralle Bäckchen und Augenbrauen, bei denen selbst Theo Waigel vor Neid erblassen würde. "Das ist die Urgl", sagt der Intendant stolz. "Die ist in unseren eigenen Werkstätten entstanden." Ein Bühnenzauber für die Fantasie

Die Gnomin, die samt Partner Engywuk den Helden Atreju gesund pflegt, ist nur eine der vielen fantasievollen Figuren, die in den nächsten Wochen die Bühne des Trierer Theaters bevölkern werden. "Mit allen theatralischen Mitteln" will Kindermann die berühmte Michael-Ende-Geschichte erzählen, "ein Bühnenzauber für die Fantasie" soll die Oper von Siegfried Matthus werden. Das ist auch nötig, denn die musikalische Realisierung konkurriert nicht nur mit der bildhaften Vorstellung, die die Leser des Buches entwickelt haben, sondern auch mit der Materialschlacht der Film-Version. Eine Fassung übrigens, mit der der Autor Michael Ende zutiefst unglücklich war. Sein Lektor und Freund Roman Hocke erzählte im Rahmen eines "Opern-Cafés" im Theater von den Tricks und Kniffen, mit denen man dem Autor die Rechte für die Verfilmung abgeluchst hatte, um statt des versprochenen "Kunstfilms" einen Hollywood-Schinken daraus zu machen - der nach Einschätzung Endes die wichtigsten Themen des Buches völlig unterschlug. Da war es fast ein Wunder, dass Siegfried Matthus nach jahrelangen Verhandlungen die Rechte für eine "Veroperung" erhielt. Der Komponist erzählte beim Operncafe vom schwierigen Zustandekommen der Vereinbarung. Man sei sich schließlich einig geworden, nachdem der Schriftsteller in München die Proben zu einer anderen Matthus-Oper besucht habe. Regisseur dieser Produktion war wiederum Heinz Lukas-Kindermann. Und der sei jahrelang "wie ein Besessener" hinter der Uraufführung her gewesen, witzelte Matthus - letztlich mit Erfolg. Der Trierer Intendant fühlt sich den Intentionen Endes verpflichtet. Der Kult-Autor habe "die berühmten tschechischen Kinderfilme sehr gemocht". So kam Daniel Dvorak ins Spiel, Intendant der Prager Nationaloper, früherer Film-Ausstatter, Kindermann-Freund und seit Jahren als profilierter Bühnenbildner Gast in Trier. Einen Teil der skurrilen Kostüme ließ Dvorak gleich in Prag herstellen. "Hier wäre das viel zu teuer gewesen", sagt Kindermann. Aber auch die Trierer Werkstätten arbeiten seit Monaten auf Hochtouren, "und die Ergebnisse sind großartig". Das Trierer Ensemble hat fieberhaft geprobt, fast alle Sänger sind im Einsatz. Für die Rolle des Jungen Bastian, dessen Lektüre des Zauberbuchs "Unendliche Geschichte" die Handlung ins Laufen bringt, wurde mit Antje Mönning eine Schauspielerin aus Düsseldorf verpflichtet. Komponist Matthus wollte in dieser Rolle "bewusst keinen ausgebildeten Sänger", auch wenn Bastian beim Eintritt in die Welt Fantasiens die Sprache der Musik gebraucht. "Diese Oper hat eine echte Chance, sich im Repertoire durchzusetzen", glaubt Heinz Lukas-Kindermann. Und die Trierer werden die ersten sein, die das Werk erleben. Nicht ganz allein übrigens, denn auch in Weimar findet zeitgleich eine Uraufführung statt. Und damit niemand ins Hintertreffen gerät, beginnt man sogar exakt zur gleichen Uhrzeit. So müssen die Trierer am Samstag zur ungewohnten Zeit um 19 Uhr ins Theater. Aber dafür erleben sie auch eine historische Stunde.

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