Charme-Offensive aus dem Bauch heraus

Trier · Man sollte meinen, dass im Jahr 2015 ein erwachsener Mann, der sich auf der Bühne mit Puppen unterhält, nicht viel Erfolg haben kann. Sascha Grammel ist der lebende Gegenbeweis. Sogar in den inszenierten Pannen überlässt er dabei nichts dem Zufall.

 Ihre Kulleraugen lassen das Publikum in der Arena Trier dahinschmelzen: Schildkröte Josie ist Star der Show von Sascha Grammel. TV-Foto: Hans Krämer

Ihre Kulleraugen lassen das Publikum in der Arena Trier dahinschmelzen: Schildkröte Josie ist Star der Show von Sascha Grammel. TV-Foto: Hans Krämer

Foto: (g_kultur

Trier. "Keine Anhung" heißt sein Programm, und auch der Buchstabendreher, den man erst auf den zweiten Blick erkennt, ist voll beabsichtigt. Auch durch Sascha Grammels Programm ziehen sich Fehler - jedoch inszeniert und auf allen Bühnen gleich. Dieses Konzept geht auf, auch wenn Grammel seine scheinbar ungewollten Lacher über sich selbst hier und da etwas überstrapaziert.
Das Publikum nimmt die Illusion dankbar an - diesem sympathischen und liebenswerten Menschen mit Große-Junge-Charme möchte es einfach glauben, dass er da oben auf der Bühne gleich anfangen muss zu lachen - und es lacht mit.
Bei Grammel gibt es keine bösen Witze auf Kosten Dritter, keine beißende Satire, keine Scherze unterhalb der Gürtellinie. Seine Gags amüsieren die zahlreichen Kinder im Publikum ebenso wie die Erwachsenen - hier lacht man wieder gemeinsam.
Auch die Bühnendekoration ist hübsch anzusehen - eine Mischung aus Märchenpark und Auenland, deren Bewohner die Stars des Abends sind. Frederic Freiherr von Furchensumpf beispielsweise, eine "Promenadenmischung aus Adler und Fasan", der als Erstes von Grammel zum Leben erweckt wird. Nun wird der Handvoll Leuten in der Halle, der die Bauchredekunst des Bühnenstars bislang unbekannt war, die Genialität demonstriert, wegen der der Rest des Publikums an diesem Abend in der Arena erschienen ist. Der freche Dialog der beiden ist so irre komisch, dass man zuweilen vergisst, dass in dem Tier kein Leben, sondern die Hand von Sascha Grammel steckt.
Der Vogel hat eine unglaublich lebendige Mimik. Er rollt mit den Augen, reißt den Arm in die Höhe, schaut abwechselnd böse oder amüsiert und macht ständig Witze über seinen Puppenspieler. Dabei ist nicht die kleinste Mundbewegung des Bauchredners zu sehen - fast unglaublich, wie perfekt das ist.
Und weil Perfektion auch langweilig werden kann, baut Grammel bewusst Fehler in die Show ein. Er lässt seine Puppe - diesmal als Marionette - mit Tellern jonglieren, bis sich scheinbar die Fäden verheddern. Leichte Zweifel im Publikum: Geht da gerade was schief? Doch vom zusammenklappenden Notenständer bis zum Beinahe-Lachanfall ist alles geplant. Das stört niemanden, im Gegenteil: Grammel wird mit jedem "Fehler" sympathischer, die Zuschauer liegen ihm zu Füßen. Die Zuneigung des Publikums für Grammel und seine Puppen ist vor allem beim Auftritt von Schildkröte Josie physisch spürbar. Allein ihre Stimme weist einen enormen Niedlichkeitsfaktor auf. Dazu riesige rollende Augen, und die Zuschauer (vor allem die weiblichen) schmelzen dahin.
Als Josie und Grammel zusammen (?!) singen, wird es richtig romantisch. Dass Grammel auch hinter den Kulissen ein Sympathieträger ist, beweist ein Foto auf der Facebookseite von "Bruno Bear", das gleich nach dem Auftritt in der Arena Trier entstand. Die Benefizaktion, bei der sich Prominente mit dem Stofftier fotografieren lassen, dient der Aufmerksamkeit und Spendenbereitschaft gegenüber krebskranken Kindern, die stationär im Mutterhaus in Trier behandelt werden (der TV berichtete). kap

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