Chorgesänge mit emotionaler Kraft

Trier · Besonderer Anlass für das traditionelle Domkonzert im Rahmen des Mosel-Musikfestivals: Mit der Messe von Giacomo Puccini und dem Magnificat von John Rutter wurde die Wiedereröffnung der renovierten Liebfrauenkirche gefeiert. Ein stimmiger Abend - mit überraschender Verteilung der Gewichte.

Trier. So mancher wird wohl am Samstag in den gut besetzten Dom gegangen sein, um der berühmten Puccini-Messe samt Beiprogramm zu lauschen. Um dann womöglich beim Rausgehen das Gefühl zu haben, das vermeintliche Hauptmenü sei doch nur die Vorspeise gewesen für den fulminanten Lobgesang des 65-jährigen englischen Komponisten John Rutter.
Das hat auch damit zu tun, dass sich die Phalanx der Domchöre (Einstudierung: Thomas Kiefer) bei Rutters Kirchenmusik unüberhörbar wohler fühlt als bei Puccinis textlich auf die Messe abgestimmten Opernklängen. Das beginnt schon bei der ausgelassenen Freude des Magnificat anima mea, wo sich Domchor, Mädchenchor und die jungen Herren der Domsingknaben zu stimmungsvoller Lautmalerei zusammenfinden.
Man traut sich Emotionen zu, auch beim volksliedhaften Of a rose, wo besonders die schwebenden Höhen der Frauenstimmen den Zuhörer rühren. Das wuchtige Sanctus kommt mit der Kraft der Überzeugung daher, und da stimmen auch die Proportionen zwischen dem Chor, den städtischen Philharmonikern und dem imposanten Raum.
Bemerkenswert das Debüt von Mechthild Rommelspacher. Die erst 19-jährige Sopranistin geht ihre Einsätze noch etwas zaghaft an, aber für Schüchternheit gibt es nicht den geringsten Grund, verfügt sie doch über Töne von ätherischer Schönheit, die sich im mächtigen Dom-Gewölbe fangen und das Publikum sanft einhüllen. Sie kann mit dem Klangraum umgehen - sicher auch eine Art Heimvorteil für ein buchstäbliches Eigengewächs der Dommusik.
Dirigent Stephan Rommelspacher kitzelt die Substanz aus Rutters Musik heraus, die die Nähe zu Musical-Ästhetik so wenig scheut wie Anleihen bei Orff oder Bernstein - ohne dabei allzu wohlfeil zu wirken.
Bei Puccini fruchten die Bemühungen des Dirigenten und das willig mitziehende Orchester letztlich nicht. Trotz strammer Tempora und einem nachgerade weltlichen Temperament, das Rommelspacher an den Tag legt, laufen die Chöre mit angezogener Handbremse. Puccini ist und bleibt eine Art von Opernmusik, die die Show, den Mut zum sorgfältig berechneten Effekt, die gespielte überkochende Emotion braucht - Eigenschaften, die wenig mit dem zu tun haben, was man junge Kirchenmusiker lehrt. Und die schwerfällige Akustik des Raumes bietet auch nicht die Möglichkeiten der Bühne - was den Vergleich etwas ungerecht macht.
Dennoch bleibt die Messa di Gloria unterm Strich etwas blass - trotz der edel timbrierten, sich in der Höhe schön öffnenden, freilich mit wenig Durchschlagskraft ausgestatteten Tenorstimme von Dirk Schmitz, trotz des noblen, raumfüllenden Baritons von Vinzenz Haab.
Aber haften bleiben nach diesem Abend letztlich die Verve und emotionale Kraft von Rutters Magnificat, die das freundlich applaudierende Publikum in die mild-warme Spätsommernacht begleiten.

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