Comedy statt Komödie

Trier · So mancher wird den Sommernachtstraum nicht wiedererkennen: In der Sprache von Heinz-Rudolf Kunze und der Inszenierung von Werner Tritzschler wird aus dem Klassiker ein schenkelklopfender Slapstick-Abend.

 Irrungen und Wirrungen der Liebe: Helena (Alina Wolff) und Lysander (Daniel Kröhnert) geraten durch Magie aneinander. Foto: Theater/Marco Piecuch

Irrungen und Wirrungen der Liebe: Helena (Alina Wolff) und Lysander (Daniel Kröhnert) geraten durch Magie aneinander. Foto: Theater/Marco Piecuch

Trier. Diese Situation ist der Alptraum jedes Kritikers. Man sitzt in einer Premiere und findet das Gezeigte herzlich schlecht. Die Gags sind so flach wie die Schuhe der Protagonistinnen hoch, der große Dichter wird auf das Maß eines Spaß-Lieferanten für den Quatsch-Comedy-Club heruntergefahren, sein Stück mit dem Hackebeil zusammengekürzt, damit in zweieinhalb Stunden noch Platz für genügend Rap- und Techno-Einlagen bleibt. Notfalls darf auch gerülpst werden, wenn sich irgendwo noch ein Lacher rausquetschen lässt.
Gerade legt man sich die ersten Formulierungen für einen saftigen Verriss zurecht, da fällt der Blick auf die lachenden Gesichter ringsumher. Gut die Hälfte des Publikums amüsiert sich wie Bolle, besonders die Damen - sie machen an diesem Fußball-Abend gefühlte 90 Prozent der Zuschauer aus. Humor ist eine merkwürdige Sache: Was dem einen grauslicher Klamauk, ist dem anderen höchstes Vergnügen. Und es macht keinen Spaß, dem zufriedenen Teil der Besucher selbigen im Nachhinein durch kleinliche Einwände zu verderben.
Reden wir also über das, was die Qualität dieser Version des Sommernachtstraums ausmacht. Das ist vor allem ein virtuoses Handwerk. Comedy auf der Live-Bühne ist sauschwer, denn sie erfordert exzellentes Timing und - gerade in Gruppenszenen - ein Höchstmaß an Koordination und Zusammenspiel. Da hat Regisseur Werner Tritzschler vorzüglich gearbeitet mit einem Ensemble, das sich lustvoll in den hyperaktiven Slapstick stürzt.
Holzschnitt statt Charakter


Die Szenen mit der Handwer kertruppe, die sich an der Aufführung eines Stückes versucht, sind ein Wunder an präziser Jux-Choreographie. Angeführt von Klaus-Michael Nix und Michael Ophelders, laufen auch Peter Singer, Hans-Peter Leu, Manfred-Paul Hänig und Christian Miedreich zu großer Form auf. Beeindruckendes Körper- und Bewegungstheater von den vertauschten Liebespaaren (Vanessa Daun, Alina Wolff, Daniel Kröhnert, Tim Olrik Stöneberg) und dem zickigen Elfenkönigspaar (Jan Brunhoeber und Sabine Brandauer). Dass sie arg holzschnittartig bleiben, liegt am Konzept, nicht an ihren Fähigkeiten.
Die einzige Figur, die so etwas wie Doppelbödigkeit aufkeimen lässt, ist der mächtig aufgewertete Kobold Puck, grandios ausgespielt von Barbara Ullmann. Schon ihr Kostüm ist den Abend wert, wie generell die witzige, intelligente Ausstattung von Johanna Maria Fischer samt Licht, Bühne und Maske begeistert.
Die neue Übersetzung von Heinz-Rudolf Kunze ist frech, deftig, manchmal billig-plakativ, manchmal genial-treffend. Diese Art von sprachlicher Aktualisierung ist einen Versuch wert, nur dass sie hier durch die Inszenierung gedoppelt wird, was oft zu einem Overkill-Effekt führt. Man kriegt zu selten die Kurve vom Rummel zur Magie, die diesem Stück eigentlich innewohnt.
Am Ende der Premiere eine interessante Teilung der Publikumsreaktionen: Etliche jubeln den Akteuren begeistert zu, andere streben relativ zügig Richtung Ausgang. Gerade ein junges Publikum wird wohl Spaß haben an dieser Comedy-Version der Shakespeare-Komödie. Aber man sollte ihnen dazu sagen, dass sie nur die lustige Hälfte des Sommernachtstraums sehen. Dass der Dichter nicht nur Witzfiguren erfunden hat, sondern auch Charaktere. Dass Philosophie, sogar Melancholie zu diesem Stück gehören. Ist man spießig, wenn man neben Fun auch so etwas wie Tiefgang erwartet? Vielleicht macht die Trierer Produktion ja neugierig auf das, was fehlt.
Die nächsten Termine: 22. Juni, 26. Juni (jeweils 20 Uhr), 30. Juni (19.30 Uhr). Karten: 0651-7181818

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