Da lotet Musik Grenzen aus

Trier · Der Basilika-Zyklus Trier hat begonnen, wie die Dom-Orgelkonzerte geendet hatten - mit Max Reger. Mit der zweiten Orgelsonate und der "BACH-Phantasie" und Fuge hatte Martin Bambauer zwei Großwerke Regers im Programm. Mit dieser Veranstaltung beginnt an der neuen Eule-Orgel eine Serie von neun Orgelkonzerten.

Trier. Fast hätte Basilika-Kantor Martin Bambauer das Publikum noch um Entschuldigung gebeten. Das Reger-Programm zur Eröffnung des "Internationalen Orgelsommers" sei "keine leichte Kost" - obwohl: da gebe es auch "Bewundernswertes, Schönes und Begeisterndes". Aber die etwa 250 Besucher signalisierten von Anfang an nicht Befremdung, sondern energische Zustimmung - für diese erstaunliche Musik und zugleich für den Interpreten.
Martin Bambauer nahm auch die kleineren Werke aus Regers Opus 65 nicht leicht. Die Toccata op. 65,1 lebte von Farbwechseln und flexibler Dynamik, die Fuge op. 65, 12 von einer vorbildlichen, fast statuarischen Einheitlichkeit, und die Canzone Es-Dur op. 65, 9 von Intimität ohne Sentiment. Und dazu die beiden herrlichen Großwerke.
Welchem Orgelkomponisten sonst ist es gelungen, eine historische Form wie die Fuge und die moderne Harmonik der Wagner-Nachfolge so überzeugend zur Deckung zu bringen? Bei Bambauer bestach vor allem die bekannte "BACH-Phantasie" und Fuge op. 46. Dem Organisten gelang der enorme Spannungsbogen über das Werk, vor allem in der Fuge ein groß angelegtes Crescendo, eine gewaltige Steigerung bis zum hinreißend gespielten Schlussabschnitt, in der dieser Satz zur einleitenden Fantasie zurückfindet. Es war Musik von größter Intensität.
Und die 2. Orgelsonate op. 60: Es mag am Sitzplatz und Akustik liegen, dass in den Ecksätzen manche Klangkonturen undeutlich blieben. Aber Destabilisierung, die Auflösung ehemals sicherer künstlerischer Gewissheiten, gehört bei Reger ohnehin zum Prinzip. Das klang in der Sonate deutlich mit. Genau darum war Reger in den Konzerten der Schönbergschule der meistgespielte Komponist. Und der langsame Satz, welch ein Erlebnis! Da besticht Bambauers flexibler, gleichsam atmender Interpretationsstil. Wenn dann am Satzende der Choral "Vom Himmel hoch" aufklingt, ist das wie eine Atempause im Labyrinth von Regers kompromisslos komplexer Harmonik. Bei ihm lotet Musik tatsächlich Grenzen aus. Und auf der großen, herrlichen Eule-Orgel ist nun wirklich all die Gewalt und ist all die Intimität möglich, die Regers Musik auszeichnen.
Drei weitere Konzerte im Internationalen Orgelsommer in der Trierer Konstantin-Basilika haben neben anderen Kompositionen auch Reger im Programm. Jonathan Dimmock (13. Juli) spielt die Introduktion und Passacaglia von 1899, Johannes Geffert (20. Juli) die 1. Orgelsonat op. 33 und Kensuke Ohira (17. August) unter anderem die Fantasie und Fuge op. 135b. Auch die alte Schuke-Orgel ist im Sommerzyklus wieder dabei. Jean-Christophe Geiser (10. August) spielt auf ihr Bruhns und Bach und dann auf der Eule-Orgel Julien-Francois Zbinden und Vierne. Auch Luca Scandali (3. August) teilt sein Konzert zwischen beiden Orgeln auf. Und Jungstar Kit Armstrong (7. August) hat nicht nur Thomas Preston, György Ligeti und Franz Liszt im Programm, sondern auch die Renaissancemeister John Bull, Girolamo Frescobaldi und William Byrd - ideal für die Schuke-Orgel. Mit der ehemals modischen Bearbeitungspraxis gehen die Gastorganisten eher vorsichtig um. Geffert spielt Werke von Christian Sinding, Robert Schumann und Edvard Grieg in Orgelfassungen. Bei Gerard Brooks (27. Juli) steht das Vorspiel zu Humperdincks "Hänsel und Gretel" in der Orgelversion auf der Agenda und bei Luca Scandali Regers Orgelfassung des "Heiligen Franziskus" von Liszt. Einzige Ausnahme im zurückhaltenden Umgang mit Bearbeitungen ist das Abschlusskonzert am 24. August. Da präsentiert David Briggs Mahlers 5. Sinfonie.

Beginn der Konzerte ist, wenn nicht anders angegeben, um 20.30 Uhr. Weitere Informationen bei Kantor Martin Bambauer, Telefon 0651/994912012.

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