"Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen"

Wie geht es weiter mit dem in Deutschland festgelegten Glücksspiel-Monopol? Die Stimmen der Kritiker mehren sich. Nun könnte ein Vorstoß Frankreichs neue Bewegung in die Diskussion bringen.

Trier. (bl) Derzeit ist unklar, wie lange das Monopol in Deutschland Bestand haben wird. Wie könnte der Markt mit privaten und staatlichen Anbietern geregelt werden? Darüber sprach TV-Redakteur Mirko Blahak mit dem Experten Luca Rebeggiani.

Spezialisten der Europäischen Union monieren Widersprüchlichkeiten in der deutschen Glücksspielpolitik. Der Vorwurf: Private Unternehmen dürfen etwa keine Wetten auf Fußball-Ergebnisse anbieten. Gleichzeitig sind bei Pferdewetten aber Privatanbieter zugelassen — ebenso wie beim Aufstellen von Geldspielautomaten. Haben die Kritiker recht?

Rebeggiani: In vielen Punkten schon. Der deutsche Glücksspielmarkt ist streng reglementiert — bis auf den Bereich der Geldspielautomaten. Der jedoch ist hauptverantwortlich für die Suchtproblematik, die andererseits als Begründung für das Glücksspiel-Monopol angeführt wird. Wenn es Glücksspielsüchtige gibt, dann sind das meistens Automatensüchtige.

Gegner des Monopols sehen die marktwirtschaftliche Ordnung verletzt und beklagen durch das Werbeverbot Einnahmeausfälle für den Profisport. Befürworter verweisen auf die Notwendigkeit der Suchtbekämpfung und freuen sich über die Fördergelder, die von den Monopolanbietern an den Breitensport und die Kultur fließen. Welcher Seite ist denn stärkeres Gehör zu geben?

Rebeggiani: Diese Frage ist nur politisch zu beantworten. Rein ökonomisch gesehen kann man ein Monopol eigentlich nicht rechtfertigen. Die Verletzung der marktwirtschaftlichen Ordnung ist sehr stark. Die ganze juristische Begründung hängt an der Suchtproblematik. Ihr Ausmaß ist aber zu schwach, verglichen zum Beispiel mit Alkohol oder Nikotin, die frei angeboten werden dürfen. Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Nun will nach Italien und Spanien auch Frankreich private Sportwettanbieter zulassen. Ab 2010 sollen dann auch Internet-Unternehmen wie "Bwin" lizenziert werden — über eine unabhängige Regulierungs-Behörde. Die Wettbetreiber müssen ein strenges Pflichtenheft respektieren und Umsatzsteuer zahlen. Spricht das für ein baldiges Ende des Monopols auch in Deutschland?

Rebeggiani: Wenn das so in Frankreich wirklich in Kraft tritt, wäre das ein großer Schritt. In Deutschland ist der politische Wille dafür bislang nicht vorhanden. Sucht hin oder her: Natürlich spielen für die Bundesländer die gut planbaren Einnahmen aus dem Monopol eine gewichtige Rolle. Weil jedoch diese Einnahmen der Staatsmonopolisten drastisch zurückgehen, könnte es nach 2011 tatsächlich zu einer komplett anderen Lösung kommen. In diesem Jahr werden die Einnahmen weiter sinken, auch weil die Werbe-Restriktionen bei den öffentlichen Anbietern weiter verschärft werden. Die SKL-Show im Fernsehen ist bereits verboten worden. Wahrscheinlich wird früher oder später auch die Ziehung der Lottozahlen im Fernsehen fallen. Im Glücksspiel-Staatsvertrag heißt es: Werbung im Fernsehen und Internet ist generell untersagt. Ist die Lotto-Ziehung keine Werbung? Man müsste sich schon sehr verbiegen, um sie als eine Art Wettervorhersage zu deklarieren.

Und dann: Unter welchen Bedingungen ist ein Nebeneinander von staatlichen und privaten Anbietern denkbar?

Rebeggiani: Zunächst müsste man sich die verschiedenen Marktsegmente anschauen und differenziert behandeln. Den Sportwetten-Bereich kann man recht gut anders regeln. Eine Möglichkeit wäre eine Konzessionierung — wie sie jetzt in Frankreich geplant ist. Bestimmte Anbieter werden zugelassen, die gewisse Qualitätsnormen erfüllen müssen. Und eine Aufsicht muss das überwachen. Von den Anbietern müssten auch recht hohe Abgaben eingefordert werden, die dann auch sozialen und kulturellen Zwecken zukommen würden.

Zur Person

Luca Rebeggiani (Foto: privat) ist Dozent an der Leibniz-Universität Hannover und Forscher im dort angesiedelten Center for Sports Management. Der 31-Jährige beschäftigt sich unter anderem mit sportökonomischen Themen — zum Beispiel mit der Regulierung des Marktes für Sportwetten.

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